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Neu im Stream «Tokyo Vice»: Retrochic im Rotlichtmilieu

Eine neue Serie taucht in Tokios mafiöse Schattenwelt vom Ende der 1990er-Jahre ein. Ein US-amerikanischer Journalist verwickelt sich in die Machenschaften der Yakuza.

Tokio, 1999. Japan steckt in einer Wirtschaftskrise, die japanische Mafia ist mächtiger als heute und die Menschen wollen ihre Sorgen im neongetränkten Nachtleben Tokios vergessen.

In dieser Atmosphäre ist die Serie «Tokyo Vice» angesiedelt. Wer bei dem Titel an die Kultserie der 1980er-Jahre denkt, liegt nicht komplett falsch. «Miami Vice»-Regisseur Michael Mann ist als Produzent mit am Werk und führt bei der Pilot-Folge Regie.

Das merkt man gerade am Neo-Noir-Stil der Serie, die oftmals nachts im Vergnügungsmilieu spielt. Doch inhaltlich haben beide Serien kaum Gemeinsamkeiten.

Im Sog der japanischen Unterwelt

In «Tokyo Vice» geht es um den jungen US-Amerikaner Jake, der als erster Ausländer bei einer der grössten japanischen Tageszeitungen als Journalist arbeiten darf.

Still aus «Tokyo Vice»: Männer in Anzügen
Legende: Wahre Geschichte: Jake Adelstein war der erste ausländische Journalist bei der Yomiuri Shinbun, einer der grössten japanischen Tageszeitungen. EROS HOAGLAND

Als er auf eigene Faust anfängt, über korrupte Polizisten und die Machenschaften der Yakuza zu recherchieren, gerät er immer tiefer in den Sog der japanischen Unterwelt.

Umstrittene Buchvorlage

«Tokyo Vice» ist inspiriert von der gleichnamigen Biografie des Journalisten Jake Adelstein. Allerdings steht das Buch derzeit in Kritik. Adelsteins Draht zur Yakuza soll teilweise erfunden sein.

Doch die Serie sei nur von Begebenheiten und Personen im Buch inspiriert und keine Eins-zu-eins-Adaption, so die Filmemacher.

Still aus «Tokyo Vice»: Männer im Nachtclub
Legende: Der amerikanische Journalist Jake (Ansel Elgort) will das wahre Tokio kennenlernen. EROS HOAGLAND

Tokios Milieu-Leben Ende der 1990er-Jahre

Den Macherinnen und Machern der Serie sei es wichtig, das japanische Milieu-Leben Ende der 1990er-Jahre so authentisch wie möglich abzubilden.

Die Serie spielt komplett in Tokio. Es wird überwiegend Japanisch gesprochen, Hauptdarsteller Ansel Elgort lernte für seine Rolle extra Japanisch, zudem sind die Mehrheit der handelnden Figuren Japanerinnen und Japaner. Das ist für eine US-amerikanische Serie ungewöhnlich.

Still aus «Tokyo Vice»: Japanische Polizisten im Einsatz
Legende: Auch die japanische Schauspiel-Legende Ken Watanabe (3. v. l.) ist bei «Tokyo Vice» mit von der Partie. EROS HOAGLAND

Neben Stars wie Ansel Elgort («Baby Driver», «West Side Story») und Ken Watanabe («Inception», «The Last Samurai»), ist auch die Schweizerin Ella Rumpf im internationalen Cast mit dabei. Sie hat eine Nebenrolle als Hostess in einem Nachtclub.

Generell ist die Besetzung hauptsächlich männlich, Frauen spielen meist Nebenrollen.

Das spiegelt die japanische Gesellschaft dieser Zeit wider. Viele Kreise wie der Zeitungsjournalismus, die Polizei und das organisierte Verbrechen waren und sind dort bis heute Männerdomänen.

Yakuza und die Backstreet Boys

Neben Rotlichtmilieu, Gewalt und Yakuza spielen bei «Tokyo Vice» auch Themen wie die interkulturellen Differenzen zwischen der westlichen und der japanischen Gesellschaft oder das Zeitgefühl der 1990er-Jahre eine wichtige Rolle.

Still aus «Tokyo Vice»: Zwei Yakuzamitglieder
Legende: Harte Kerle, weicher Kern: Manche Yakuza im Film stehen auf die Boybands der 90er-Jahre. EROS HOAGLAND

Gerade eine Szene aus der vierten Folge hebt diese Mischung besonders charmant hervor. Ein hartes Yakuza-Mitglied outet sich als Backstreet Boys-Fan und diskutiert mit Jake über die Interpretation des Songs «I Want It That Way».

Die Serie bricht zwar nicht konsequent, aber stellenweise mit den Klischees über harte Yakuza-Gangster und mit dem Bild des überlegenen US-Amerikaners im Ausland.

Perfekt nach einem «Guilty-Pleasure»-Serien-Marathon

«Tokyo Vice» ist keine Serie, die im hohen Tempo fesselt. Sie lässt den Zuschauerinnen und Zuschauern Zeit, ins neonglitzernde Tokio der Pre-Smartphone-Ära einzutauchen.

Still aus «Tokyo Vice»: Blonde Frau
Legende: Rachel Keller spielt die Hostess Samantha, die ihren eigenen Club aufmachen will und sich in der Männerdomäne durchsetzen muss. EROS HOAGLAND

Eine entschleunigende Abwechslung nach einem «Guilty-Pleasure»-Serien-Marathon. Und ein Muss für Fans des Yakuza-Genres und für Liebhaberinnen und Liebhaber japanischer Popkultur.

«Tokyo Vice» läuft seit dem 15.05.22 auf Sky Show.

SRF 1, 10vor10, 17.05.2022, 21:50 Uhr

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