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Neue Netflix-Strategie Hype vorbei? Netflix löscht interaktive Filme wie «Bandersnatch»

Als Zuschauer entscheiden, was passiert: Tönt attraktiv, doch interaktive Filme haben sich nicht durchgesetzt. Warum?

Was ist los bei Netflix? Es geschah mehr oder weniger im Stillen. In den letzten Tagen hat der Streamingdienst Netflix all seine sogenannten interaktiven Filme aus der Bibliothek entfernt. In Branchenmagazinen sorgte das für Schlagzeilen. Solche Produktionen schienen einst vielversprechend. Dazu gehörte die Folge «Bandersnatch» der Erfolgsserie «Black Mirror» oder etwa «Unbreakable Kimmy Schmidt: Kimmy vs. the Reverend».

Junger Mann an Schreibtisch mit Lampe.
Legende: Fionn Whitehead spielt die Hauptrolle der «Black-Mirror»-Folge «Bandersnatch»: den jungen Programmierer Stefan Butler. Das Publikum kann seine Handlungen steuern. IMAGO/Everett Collection

Wie genau funktionierten interaktive Filme? Bei einem interaktiven Film kann das Publikum über die Handlung des Films mitbestimmen. Soll der Held eingreifen? Oder fliehen? Das Versprechen: eine Mischung aus Videogame und Spielfilm. Es gibt verschiedene Enden; je nach vorher getroffener Entscheidung.

Wie entscheidet das Publikum?

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Beispiel «Bandersnatch»: An bestimmten Punkten werden unten im Bildschirm zwei Optionen eingeblendet und die Zuschauerin hat wenige Sekunden Zeit, sich zu entscheiden. Tut sie es nicht, entscheidet Netflix automatisch.

Es startet mit einfachen Fragen, wie der Wahl des Frühstücks. Doch spätestens, wenn es darum geht, ob der Protagonist einen Job annehmen soll, wird es komplizierter.

Woher kommt die Idee? «Die Idee ist alt. Schon in den 1950er-Jahren gab es erste rudimentäre Versuche eines interaktiven Films», erklärt SRF-Filmredaktor Enno Reins. Damals wurde der Film angehalten, ein Moderator kam und liess das Kinopublikum zwischen zwei Optionen abstimmen. Ein Schweizer Start-up brachte 2016 den interaktiven Thriller «Late Shift» ins Kino, wo die Zuschauer mittels App entschieden, wie die Hauptfigur handeln soll. Ein anderes bekanntes Beispiel ist die Verfilmung des Stücks «Terror» von Ferdinand von Schirach. Dort beurteilte der Zuschauer am Schluss, ob der Held schuldig oder unschuldig ist.

Warum hatte Netflix einst auf interaktive Filme gesetzt? Streamingdienste wie Netflix sind an der Verweildauer interessiert. «Man erhoffte sich wohl, dass die Zuschauer den Film mehrfach schauen, weil es verschiedene Varianten und Enden gab», so SRF-Filmredaktor Enno Reins. Netflix wollte wohl auf den Zug aufspringen. Keinen Hype verpassen. «Im konstanten Kampf um Aufmerksamkeit hatte man Angst, gegen die Gaming-Industrie zu verlieren», meint SRF-Digitalredaktor Guido Berger.

Warum hat sich der interaktive Film nicht durchgesetzt? «Die Mischung zwischen einem linearen Format und dem Game funktioniert nicht», erläutert Guido Berger. Für Gamer gibt es zu wenig Interaktionen. «Viele Entscheidungen fühlen sich belanglos an», so Berger. Wirklich kreativ sein kann man nicht. Man wählt zwischen zwei Optionen aus: Weglaufen oder stehen bleiben? Aus Filmperspektive kann es auch enttäuschen, da nicht jede der möglichen Geschichten gleich gut ist. Dazu kommt: Es gibt schon jetzt eine Fragmentierung. Aufgrund des riesigen Angebots schaut auf Streamingplattformen niemand dasselbe. Wenn es dann noch Serien gibt, die jede anders erlebt, funktioniert die Mund-zu-Mund-Propaganda nicht. Ausserdem ist die Produktion solcher Filme extrem teuer. Es müssen zig Varianten des Skripts geschrieben werden, die Schauspielerinnen die Szenen etliche Male spielen. «Im Fall von Netflix scheint sich das nicht rentiert zu haben», so Guido Berger.

Was sagt Netflix? Bis jetzt schweigt der Anbieter. Letzten Herbst hat eine Netflix-Sprecherin gegenüber dem US-Magazin «The Verge» gesagt, dass «diese Technologie ihre Funktion erfüllt» habe. Netflix hat seit einiger Zeit auch Games im Sortiment, kauft Gaming-Studios auf. «Wenn man Games macht, braucht man auch keine interaktiven Serien mehr», resümiert Enno Reins.

SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 14.5.2025, 16:30 Uhr

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