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«Amourette», 2009
Aus Kultur Extras vom 02.04.2013.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 19 Sekunden.
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Film & Serien Nur für Erwachsene: Maja Gehrig und ihr Puppenspiel

Die Schweizer Animationsfilmerin Maja Gehrig hat mit «Amourette» polarisiert. Im Programm der Kurzfilmnacht-Tour 2013 wandert der Film nun durch die Schweiz und macht Station in zahlreichen Kinos. Ein Porträt einer ungewöhnlichen Puppenspielerin.

«Das Schönste am Prozess ist das Animieren», sagt die 35jährige Maja Gehrig. «Ganz alleine im Dunkeln, nur mit den Holzpuppen – dann passiert das Schauspiel in Slow Motion. Ein bewegungsunfähiger Gegenstand erwacht langsam zum Leben. Das ist wie ein kleines Wunder, jedes Mal aufs Neue».

Das Interesse für den Animationsfilm entdeckte Maja Gehrig während ihrer Schulzeit: «Meinen ersten Animationsfilm habe ich im Gymnasium gemacht: Im Mathematik- und Französischunterricht habe ich heimlich unter dem Tisch gezeichnet».

Nach der Schule absolvierte Maja Gehrig den gestalterischen Vorkurs in Zürich und studierte  Medienkunst in Aarau. Die Lust zu animieren liess sie nie los, schliesslich schrieb sie sich an der Hochschule Luzern ein und beendete dort den Animations-Studiengang im Jahr 2005.

Brüste an Drähten, Penis mit Scharnier

Ihren bekanntesten Kurzfilm «Amourette» vollendete Gehrig bereits 2009. Der Film zeigt zwei Puppen beim zerstörerischen Sex auf einem Stück Schleifpapier. Was der Zuschauer als fünf Minuten erotische Leichtigkeit wahrnimmt, war in Wirklichkeit harte Arbeit. Alleine drei Monate dauerte der Animationsvorgang. Es folgten Schnitt, Vertonung und Postproduktion. Bereits die Vorbereitungen zogen sich in die Länge, ein überdimensionales Stück Schleifpapier musste her. Maja Gehrig griff selbst in die Trickkiste und mischte sich aus Quarzpulver, Curry und Paprika die passende Schleifunterlage.

Bei den Hauptdarstellern verliess sie sich auf handwerkliche Professionalität: «Timber» und «Lamber», so die Namen des hölzernen Liebespärchens, sind Einzelanfertigungen. Bei den mehrfach ausgeführten Puppen sind alle Gliedmassen beweglich, auch die Brüste und der Penis.

Kurzfilmnacht-Tour

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Die 11. Ausgabe der Kurzfilmnacht-Tour beginnt am 5. April in Zürich. Während zweier Monate werden in zahlreichen Schweizer Kinos ausgewählte Kurzfilme gezeigt.

Romantik oder destruktive Liebe?

Schleifen, montieren, knipsen, wieder schleifen, ausbessern… Nach einem Jahr und unzähligen technischen Kniffen war «Amourette» fertig. Der Film lief auf vielen Festivals, die Meinungen waren gespalten: «Einige fanden den Film anstössig, anderen missfiel die vermeintliche Darstellung dieser destruktiven Liebe. Dabei geht es in dem Film um etwas ganz anderes: Die zwei Puppen wollen genau diesen Zustand! Es ist die Sehnsucht, sich in der Lust und der Liebe aufzulösen», erklärt Gehrig.

Randgenre mit viel Potential

«Amourette» läuft dieses Jahr an der Kurzfilmnacht-Tour, welche am 5. April in Zürich ihren Anfang nimmt. In der Sparte «Sexy Things» wird «Amourette» in zahlreichen Schweizer Städten zu sehen sein.

Noch ist der Schweizer Animations- und Kurzfilm bei der breiten Öffentlichkeit allerdings wenig populär. Mit Veranstaltungen wie der Kurzfilmnacht-Tour wird versucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die Leute sollen erleben, dass fünf gut gestaltete Filmminuten oft mehr wert sind als zwei Stunden lauwarme Unterhaltung.

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Maja Gehrig über ihre Arbeit an «Amourette»
Aus Kultur Extras vom 02.04.2013.
abspielen. Laufzeit 36 Sekunden.

Nichts als Puppen im Kopf

Neben ihrer Tätigkeit als Animationsfilmerin gibt Maja Gehrig Workshops, in denen sie Menschen jeden Alters das Animieren beibringt. «Die Jüngeren sind verzaubert, die älteren entdecken wieder das Kind in sich». Neben den Workshops realisiert sie zudem Animationsaufträge für Unternehmen.

Genug Zeit für eigene Projekte zu haben, ist ihr aber das Wichtigste. Zeit, die sie oftmals ganz alleine mit ihren reglosen Objekten verbringt. Im Fall von «Amourette» vielleicht ein bisschen gar viel Zeit: «Als ich an dem Film gearbeitet habe, träumte ich eines Nachts, dass meine Arme plötzlich aus Holz wären – mit Scharniergelenken wie bei den Puppen. Es ist eindrücklich, wie sich solche Bilder bei intensiver Beschäftigung auf die Netzhaut brennen».

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