Zehn Oscar-Nominierungen für «Mank»! Wer sich von der schieren Anzahl blenden lässt, wird David Finchers Netflix-Film zum diesjährigen Favoriten proklamieren.
Doch gemach: In den wichtigsten Kategorien dürfte der Festival-Darling «Nomadland» das Rennen machen. Auch wenn das US-Sittengemälde an den amerikanischen Kinokassen im Corona-Jahr nur knapp mehr als eine Million Dollar einspielte.
Frances McDormand verkörpert in diesem dokumentarisch anmutenden Roadmovie eine moderne Nomadin, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält.
Die Menschen, denen sie auf ihrer Reise durch den Westen Amerikas begegnet, sind keine Schauspielprofis. Sondern Laien, die von Regisseurin Chloé Zhao dazu angehalten wurden, sich selbst zu spielen.
Das Ergebnis ist ein ebenso authentischer wie gesellschaftskritischer Film, der bisher so ziemlich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gab. Unter anderem den Goldenen Löwen von Venedig, den Hauptpreis von Toronto und zwei Golden Globes.
Bei den Oscars könnten sechs weitere Trophäen dazukommen. Und zwar in den prestigeträchtigen Kategorien: Film, Regie, Hauptdarstellerin, Drehbuch, Schnitt und Kamera.
Das Manko von «Mank»
Gegen den Abräumer der Award Season dürfte Oscar-Frontrunner «Mank» in den wichtigsten Sparten keine Chance haben. Netflix muss sich damit trösten, dass numerisch jeder Oscar gleich viel zählt.
David Finchers Schwarzweiss-Ode ans alte Hollywood wird wohl nur in weniger beachteten Kategorien wie Sound, Score, Kostüme oder Produktionsdesign reüssieren. Wenn überhaupt.
Klar könnte «Mank» dank Gary Oldmans brillanter Performance theoretisch auch den Oscar für die beste männliche Hauptrolle absahnen. Doch in dieser Sparte schreit Chadwick Bosemans früher Tod fast schon nach einer posthumen Ehrung. Für «Ma Rainey’s Black Bottom», einer weiteren Netflix-Produktion, die immerhin fünfmal nominiert wurde.
Sechs mal sechs
Mit sogar einer mehr, also insgesamt sechs Nominierungen, gehen neben «Nomadland» gleich eine Handvoll Filme an den Start: Erstens das Alzheimer-Drama «The Father» mit Oscarpreisträger Anthony Hopkins in der Hauptrolle.
Zweitens das subtile Einwanderungsgeschichte «Minari», in der überwiegend koreanisch gesprochen wird. Sowie drittens die auditiv spannend gestaltete Amazon-Produktion «Sound of Metal».
Last but not least
folgende zwei Filme, die sich beide ans Motto
Black Lives Matter
halten: Aaron Sorkins Gerichtsdrama «The Trial of the Chicago 7» mit «Borat»-Darsteller Sacha Baron Cohen.
Sowie «Judas and the Black Messiah», ein tatsachenbasiertes Drama über Amerikas Repression der Black-Panther-Bewegung.
Sieht also eigentlich nach einem offenen Rennen mit vielen Anwärtern aus. Doch wie gesagt: Alles andere als der totale Triumph von «Nomadland» wäre eine böse Überraschung.
Auch für Chloé Zhao, die am 25. April, gut elf Jahre nach Regie-Kollegin Kathryn Bigelow («The Hurt Locker») Geschichte schreiben könnte: Als erste nicht-weisse Frau, die von der Academy zur grossen Siegerin erkoren wird.