Schon mit seinem zweiten Film brachte Paul Thomas Anderson Hollywood in Wallung. «Boogie Nights» erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall des jungen Porno-Darstellers Eddie Adams, alias Dirk Diggler, im Los Angeles der 1970er und 1980er-Jahre.
Die Fachpresse zeigte sich einstimmig begeistert von der Arbeit des erst 27-Jährigen. «Boogie Nights» bescherte dem blutjungen Autorenfilmer quasi über Nacht den Status als Wunderkind.
Als liessen es die Begeisterungsstürme in Hollywood kalt, doppelte das Kinotalent aus Los Angeles 1999 mit dem Drei-Stunden-Epos «Magnolia» nach. «Boogie Nights» signalisierte die Ankunft eines virtuosen Filmemachers mit einem einzigartigen Stil.
Sein Folgefilm bot einen Vorgeschmack darauf, dass Anderson diesen mit jeder weiteren Regiearbeit nach Belieben erweitern und neu definieren würde.
Schöpfer seiner eigenen Nische
Er beherrscht die Kunst, komplexe, vielschichtige Figuren in den aberwitzigsten Situationen zutiefst menschlich erscheinen zu lassen. Seine Geschichten inszeniert er in einer Ästhetik, die unverkennbar seine eigene ist – ohne sich dabei selbst zu kopieren.
In den Nullerjahren folgten die kriminell unterbewerte romantische Komödie «Punch-Drunk Love» und das Historien-Drama «There Will Be Blood». Letzteres wurde von zahlreichen Kritikern als bester Film des Jahrzehnts gefeiert.
Seither schuf Anderson den vielleicht faszinierendsten Spielfilm zum eigentlich übersättigten Thema des Sekten-Kults («The Master»). Ehe er sich einem Roman widmete, der als nicht adaptierbar galt («Inherent Vice»).
Sein letzter Film, «Phantom Thread», bescherte Daniel Day-Lewis einen Abschied von der Leinwand, der einem solchen Ausnahmeschauspieler nicht würdiger hätte sein können.
In seinem mittlerweile vierten Jahrzehnt als Filmemacher hat sich Paul Thomas Anderson eine Nische geschaffen, die man im profitgetriebenen Hollywood nicht für möglich halten sollte.
Bescheidene Zahlen, grosse Kunst
Selbst sein kommerziell erfolgreichster Film war weit davon entfernt, einen dreistelligen Millionen-Betrag einzuspielen. «Inherent Vice» und «Punch-Drunk Love» schrieben sogar rote Zahlen. Dabei kosteten beide Filme weniger als 30 Mio. US-Dollar – eigentlich bescheiden für moderne Hollywood-Verhältnisse.
Dennoch reissen sich die gefragtesten und talentiertesten Schauspielerinnen und Schauspieler ihrer Generation darum, in seinen Filmen mitzuspielen.
Auf seinen ersten Oscar wartet Paul Thomas Anderson übrigens immer noch – trotz bereits acht Nominierungen als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. Vielleicht das beste Argument dafür, dass sich Kunst nicht mit Auszeichnungen oder Zahlen messen lässt.