«Game of Thrones» hatte bereits epische Schlachten zu verzeichnen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an diese Folge. Vielleicht zu hoch, fürchtete ich.
Kann die Schlacht epischer sein, als beim «Battle of the Bastards», ohne dass das Gemetzel zu langweilen anfängt? Gelingt der Gut-gegen-Böse-Showdown, ohne pathetisch zu wirken? Bekommen alle Figuren eine Todesszene, die sie verdienen? Bekomme ich das emotional auf die Reihe?
Einen Spoiler schon mal vorweg: Die Folge war ein Meisterwerk in jeglicher Hinsicht, was für ein Spektakel! Die Dramaturgie tänzelte gekonnt und überraschend zwischen Action und ruhigen Momenten hin und her – wie Arya beim Zweikampf. Die Folge hielt alles ein, was sie nie versprochen hatte.
«The night is dark and full of terrors»
Schon der Anfang, diese zehn Minuten Ruhe vor der Schlacht, was für eine Spannung! Nur ein Fluch unterbricht sie – «For fuck's sake!» – und die Ankunft eines unerwarteten Gastes: Melisandre, die rote Priesterin ist zurück. (Wie hat sie die Armee der Toten umgangen? Immer für eine Überraschung gut, die Anhänger vom grossen Gott R'hllor, the Lord of Light.)
Melisandre gibt dem Dothraki-Heer Feuer – und dem Rest (also uns) Hoffnung. Denn die rote Priesterin hatte Jon ja von den Toten zurückgeholt, sie ist eine durchaus mächtige Verbündete. Doch weit gefehlt.
Das prächtige Heer der Dothraki verschwindet einfach in der dunklen Nacht. Profan, banal, ausgelöscht wie eine Kerze im Wind. Uns wird klar: Der Tod ist nicht pathetisch. Melisandre behält recht: «The Night is dark and full of terrors.»
Nach diesem einschüchternden Schlachtbeginn wird alles nur schlimmer. Es ist sehr dunkel, oft erkennt man nicht viel. Ist es ein Flugzeug? Ist es Drogon? Man weiss es nicht, nachts sind alle Drachen grau... Die Kampfszenen wechseln gekonnt zwischen offenem Schlachtfeld und klaustrophobischen Gängen hin und her.
Hoffnungen werden geschürt (Die Gräben brennen! Danke, Melisandre!) und umso heftiger zerschlagen. (Die Zombies rennen gar nicht in ihren sicheren Tod – sie warten einfach mal strategisch ab!).
Wahnsinn auf dem Schlachtfeld
Immer wieder folgt die Kamera einer anderen Figur. Wir erleben die schweisstreibende Enge in der Gruft und den Wahnsinn auf dem Schlachtfeld, während die Toten Schritt um Schritt Winterfell einnehmen.
Kaum eine Szene gibt symbolisch die Schlacht so akkurat wieder, wie der Kampf und Tod von Lyanna Mormont: Die kleinste Kriegerin tötet den grössten Krieger – tot sind beide.
Etwas rar machen sich die Drachen. Zu sehr damit beschäftigt, sich in den Weiten des Himmels zu jagen. Spektakuläre Szenen auch hier – Rhaegal fällt!
Doch da, Daenerys’ grosser Showdown mit dem Night King. Nach gefühlt minutenlanger Feuersbrunst wissen wir: Der Night King kann auch lächeln (und Drachenfeuer tötet ihn nicht). Und Daenerys kommt auch mit Drachen an ihre Grenzen – eine gute Figur lieferte sie in dieser Schlacht nicht.
Angesichts der immer grösser werdenden Horrors fühle ich mich dem «Hound» sehr verbunden, der gelähmt (resigniert? angepisst? hoffnungslos?) in der Ecke steht. In der Folge kommt mehrmals der Punkt, an dem man überzeugt ist: Sie schaffen es nicht. Wie auch? Man kann dem Tod nichts entgegenstellen.
Und dann auch das noch: Der Night King lässt die frisch Gefallenen wieder auferstehen! Natürlich, je mehr Tote es gibt, desto besser! Er kann ja nur gewinnen! Das war’s.
Doch wie sagt Arya: «Not today.» Nicht heute.
In einem spektakulären Moment und gerade noch rechtzeitig tötet sie den Night King, mit genau dem Dolch, mit dem Bran getötet werden sollte (in der ersten Staffeln) – wie passend. Sind alle damit einverstanden, dass es Arya verdient hatte, das personifizierte Böse zu besiegen?
Jon – ehrlich und naiv wie immer – hatte ja im offenen Duell versagt. Wie bei Daenerys ist seine Performance in dieser wichtigen Schlacht eher unterdurchschnittlich. Arya schafft es mit einer gelungenen Sneak-Attack und guten Reflexen. Uns wird klar: Der Tod kennt auch keine Ehre.
Alle leben noch!
Ehrlich gesagt: Es hat mich doch überrascht, wie wenig diese Schlacht an Tribut forderte. Für «Game of Thrones»-Verhältnisse gab's wenige Tote zu beklagen. Erwähnenswert sind Theon Greyjoy, der sich endlich heldenhaft opfern konnte, und Ser Jorah, der sicher so starb, wie er es sich gewünscht hatte: bei der Verteidigung seiner geliebten Khaleesi.
Trotzdem: Gilt die berühmte George R.R. Martin-Regel «Kill your Darlings» nicht mehr? Wurde hier gespart, damit die Schlacht mit Cersei mehr Drama hat? Denn mit dem Tod des Night King ist die metaphysische Ebene verschwunden – es gibt weniger «Herr der Ringe» in Westeros, dafür wieder mehr «House of Cards».
Das zeigt auch die Schlussszene der Episode schön symbolisch: mit dem Tod einer weiteren Person, die auch viel Magie in sich trug. Mit dem Tod von Melisandre, der roten Priesterin, die ihr Halsband ablegt und als alte Frau mit weissen langen Haaren auf dem Schlachtfeld zusammenbricht.
Zum Glück gibt’s noch die Drachen. Rhaegal hat offenbar überlebt.