«Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen nicht glauben würdet», sagt der Mann mit den stahlblauen Augen, den glatten Gesichtszügen und den weissblonden Fransen, die der strömende Regen an seine Stirn klebt. Er, der Replikant, zu dessen Füssen hilflos der Held der Geschichte liegt.
Gerade noch hat er diesen im Duell verhöhnt und erniedrigt. Nun hält er inne: «All diese Momente werden im Verlauf der Zeit verloren gehen, wie Tränen im Regen. Zeit zu sterben.»
Ein Roboter mit Gefühlen?
Sein Tod in einer der letzten Szenen von «Blade Runner» (1982) : Das ist die legendäre Szene, für die Rutger Hauer den meisten in Erinnerung bleibt.
Der Bösewicht, ein Roboter eigentlich in Gestalt eines Menschen, der kaltblütig mordende Replikant: In seinem letzten Moment lässt er die Zuschauer menschliche Tiefe erahnen, mitleiden – und an der vermeintlichen Gefühlskälte künstlicher Intelligenzen zweifeln.
Kein 0815-Typ
Rutger Hauer, der niederländische Schauspieler, konnte den gemeinen Bösewicht ebenso gut verkörpern wie den edlen Helden. Oder eben, wie als Replikant Roy Batty in «Blade Runner»: beides zugleich.
Ob Held oder Bösewicht: Was Hauer nicht war, war eine 0815-Nebenfigur, die man schon am Ausgang des Kinos wieder vergessen hat.
«Blade Runner» wurde zum Kultfilm – und bedeutete nicht nur für Hauptdarsteller Harrison Ford den Durchbruch in Hollywood, sondern auch für Hauer, seinen Gegenspieler.
In über 100 Filmen gespielt
Blade Runner, insbesondere die Monolog-Szene, blieb Hauers international grösster Erfolg. Dabei spielte er in über 100 Filmen mit, darunter auch in vielen B-Movies.
Gerade in Hollywood gab er häufig den Bösewicht, wie etwa im Action-Thriller «Nachtfalken» (1981) mit Sylvester Stallone oder in «Hitcher, der Highway Killer» (1986).
Ihm sei es egal, sagte Hauer einmal in einem seiner seltenen Interviews, ob er einen Bösen oder den Guten spielen solle. «Mir geht es um den Charakter.» Er wolle immer alle Facetten seines Könnens zeigen.
Für seine Rolle als sowjetischer Leutnant im britisch-jugoslawischen KZ-Drama «Flucht aus Sobibor» war er 1988 mit einem Golden Globe ausgezeichnet worden.
Von Scheinwelt nicht beherrschen lassen
Hauer lebte lange in den USA. Sein Ruhepunkt und «sein Zuhause», wie er in einem Interview sagte, war aber ein Bauernhof im Friesland, im Norden der Niederlande. «Film ist mein Leben. Aber man darf sich nicht von dieser Scheinwelt beherrschen lassen.»
An seinem niederländischen Wohnort ist Rutger Hauer, der Schauspieler, nun nach kurzer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben, wie seine Familie mitteilte.
Rutger Hauer, der blonde Mann auf einem verlassenen Dach, im düsteren Zwielicht, im strömenden Regen: Dieser Film-Moment wird auch mit seinem Tod nicht so rasch verloren gehen.