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Schweizer Dokfilm Leben nach dem Tod: «Keine Ahnung, wie Gott das anstellt»

Was kommt nach dem Tod? Darüber mutmassen Seniorinnen und Senioren im Schweizer Dokfilm «Fragments du paradis». Ein berührender Film in Zeiten von Corona.

Eine Bergtour durch das malerische Vanil-Noir-Gebiet: Der Lausanner Dokumentarfilmer Stéphane Goël ist mit seinem Vater unterwegs.

zwei Männer laufen durch eine Berglandschaft
Legende: Der Vater von Stéphane Goël erzählte ihm, dass er seine Asche in den Bergen verstreut haben möchte – so kam er auf die Idee des Films. Agora Films

Zwischen den Männern entspinnt sich zwischen felsigen Gipfeln ein Dialog über Glauben und Vergänglichkeit. Marschiert wird nicht zufällig durch eine paradiesisch anmutende Kulisse.

Vorstellungen des Jenseits

Das Gespräch zwischen Vater und Sohn bildet das Gerüst des Dokumentarfilms «Fragments du paradis», der 2015 erschienen ist. Schon bald weicht das satte Grün der Alpwiesen einem kontrastreichen Schwarz-weiss: Jetzt sprechen betagte und kranke Menschen direkt in die Kamera darüber, wie sie sich das alles vorstellen mit dem Leben, dem Tod, dem Danach.

Die Falten in diesen Gesichtern sind tief, aber die Augen der interviewten Menschen leuchten ansteckend.

ein Mann gestikuliert wild in die Kamera (schwarz-weiss Aufnahme)
Legende: Die Senioren mutmassen, wie sich das Jenseits anfühlen könnte – mit Fantasie und Galgenhumor. Agora Films

Unterschiedlichste Ansichten

Eins merkt der Zuschauer schnell: Es gibt unter diesen Aussagen keinen klaren Konsens.

Vielleicht ist nach dem Tod endgültig Schluss, vielleicht fängt dann alles erst an, vielleicht geht es wieder von vorne los: Die eingefangene Meinungsvielfalt ist erstaunlich und sorgt für anregende, kurzweilige 90 Minuten.

Eine Frau überrascht etwa mit dem freizügigen Gedankenspiel, das Jenseits könnte einem wiederholt auftretenden Orgasmus gleichen. Später sagt eine andere Frau: «Keinen Sex, nein. Aber Liebe. Eheleute treffen sich wieder und auf immer vereint. Wobei, naja, wenn man zwei-dreimal verheiratet war, dann weiss ich auch nicht, wie Gott das anstellt.» Es wird an dieser Stelle herzlich gelacht, wie so oft in diesem Film.

zwei Frauen schauen in die Kamera, in einer schwarz-weiss Aufnahme
Legende: Trotz des intimen und schweren Themas haben die Protagonistinnen viel zu lachen. Agora Films

Der Tod geht alle an

Natürlich spielen religiöse Überzeugungen eine tragende Rolle bei dem, was diese Menschen da erzählen. Alle denkbaren Positionen werden abgedeckt: Christliches, muslimisches, buddhistisches, esoterisches und atheistisches Gedankengut wechselt sich in dieser Collage ab.

Von Licht, Liebe, Farben und Wärme ist wiederholt die Rede. Ein Mann bringt gar Politik ins Spiel: «Die Revolution wird nach meinem Tod weitergehen», ist er überzeugt, und das beruhigt ihn.

Hommage an eine Generation

«Fragments du paradis» ist kein makabrer, sondern ein stimulierender Film. Letztlich handelt er von der Fantasie – von der urmenschlichen Gabe, mit eigener Vorstellungskraft alles Mögliche und Erwünschte in die Zukunft nach dem Ableben hineinzuinterpretieren.

Indem «Fragments du paradis» all diesen Gedanken und Wünschen Raum lässt, ist der Film ein unvergängliches Dokument – und ein hochaktuelles: Denn hier kommt just diese Generation zu Wort, die heute am stärksten von der Pandemie und ihren Auswirkungen betroffen ist.

Wo kann ich «Fragments du paradis» schauen?

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«Fragments du paradis» wurde koproduziert von der Radio Télévision Suisse RTS und ist kostenlos erhältlich auf der VOD-Plattform Play Suisse . Die deutsch untertitelte Fassung trägt den Titel «Leben, Tod, Paradies?».

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 22.12.2020, 17:40 Uhr

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