Stille und Leere auf dem «Place du Réel» in Nyon. Sonst der Ort der Begegnung für Filmschaffende und Zuschauer beim «Visions du Réel», einem der wichtigsten internationalen Festivals für den Dokumentarfilm.
«Es ist traurig, wenn man alles hier so leer sieht», sagt die Direktorin Emilie Bujès als sie vor dem ungeschmückten Festivalgebäude steht.
Aber weil das Festival via Internet nun zum Publikum nach Hause kommt, sei sie auch darauf gespannt, ob deshalb vielleicht ein grösseres Publikum die Filme sehen wird und verweist damit auf den aktuellen Streaming-Boom wegen Corona.
89 Filme feiern digital ihre Weltpremiere, darunter der Dokumentarfilm «Reunited», der als Eröffnungsfilm geplant war. Durch den Krieg getrennt, kämpft eine syrische Mutter darum, nach vielen Jahren mit ihren Söhnen und ihrem Ehemann wiedervereint zu werden.
Für die dänische Regisseurin des Films Mira Jargil ist es äusserst wichtig, dass das Festival stattfindet: «Es war noch nie wichtiger unsere Realität zu erforschen. Deshalb ist die Unterstützung durch ein Festival so bedeutsam. Weil gute Dokumentarfilme unseren Horizont erweitern.»
Viele Dokus – aber nur für kurze Zeit
130 Dokumentarfilme stellt das Festival dieses Jahr ins Netz. Wer nichts verpassen will, sollte sich vorher das Programm genau anschauen. Denn viele Filme stehen nur für 24 Stunden online zur Verfügung. Finden tut man die Streamingmöglichkeiten auf der Festivalseite .
Das beste: Das Angebot ist umsonst. Direktorin Emilie Bujès erklärt warum: «Wir haben es gratis angeboten, weil wir das Gefühl haben, dass online gerade sehr viele Filme angeboten werden und wir wollten sicherstellen, dass wir unseren Filmen so viele Chancen wie möglich geben, um gesehen zu werden.»
Alles gratis: Wer zahlt?
Doch wie finanziert sich das Festival, ohne die Eintritte? Die Ticketeinnahmen deckten bisher ohnehin nur die Kosten für die Infrastruktur ab, erklärt die Direktorin.
Dazu kommt, dass sie den Aufbau der zusätzlichen Kinosäle und der Festivalcontainer und Zelte rechtzeitig stoppen konnte und diese Kosten nicht anfielen.
Auch die Finanzierung von Bund, Kanton, Stadt und den Sponsoren in Höhe von insgesamt 3,3 Millionen Franken bleibt dem Festival für 2020 erhalten. Mit dieser Summe sollte «Visions du Réel» keine Mühe haben, weiterzumachen.
In Zeiten von Streaming-Boom und rückläufigen Kinobesuchen könnte ein digitales Festival die Zukunft sein. Doch Emilie Bujès macht klar: Es sei eine Notlösung. «Ein Festival ist ein Fest und dazu gehört das kollektive Erlebnis, die Begegnungen und eine herzliche Umarmung.»