Zuerst einmal sticht dieser Film ins Auge. Kräftiges Schwarzweiss, wunderschöne Schattierungen in durchdachten Einstellungen, scharfe Kontraste, deren deutlichster im Zentrum der Handlung steht: Ein dunkelhäutiges Mädchen läuft durch den blendend weissen Schnee der Schweizer Alpen.
«Fortuna» erzählt die Geschichte einer 14-jährigen Äthiopierin, die es nach der Flucht über das Mittelmeer in ein abgelegenes Kloster in den Bergen verschlagen hat.
Der Film ist entworfen als eine Leidensgeschichte christlicher Prägung. Der Name der Hauptfigur ist bittere Ironie: Fortunas Schicksal hat es bis jetzt gar nicht gut mit ihr gemeint, ihr bleibt allein die Hoffnung auf Barmherzigkeit. Sie erprobt zwar streckenweise ihren Handlungsspielraum, doch faktisch hat sie kaum welchen.
Mönche und Migration
Bevor man sich ein Urteil über einen solchen Film erlaubt, muss man festhalten: Er ist in jeder Hinsicht gut gemeint.
«Fortuna» wurde geschrieben und gedreht aus ehrlicher Betroffenheit und in Anteilnahme an der dramatischen Flüchtlingslage der letzten Jahre. Der Film ist das Ergebnis eines Ohnmachtgefühls.
Er schaut direkt hin und konstatiert im Umgang mit der Migrationsfrage weitgehend moralisches Versagen.
Ausformuliert wird das anhand eines konkreten Konflikts: Das Beherbegen von illegalen Flüchtlingen wird für die Mönche zur Belastungsprobe. Sie geraten mit dem Gesetz in Konflikt und sehen gleichzeitig die Abgeschiedenheit und Stille ihres Klosterlebens bedroht.
Es braucht den charismatischen Bruno Ganz als Abt in einer seiner letzten Rollen, um die Mönche an die Grundsätze der christlichen Nächstenliebe zu erinnern.
Die problematische Symbolik
Die Geschichte von «Fortuna» macht betroffen, denn die Thematik des Films spricht für sich. Doch das Flüchtlingsdrama wühlt nicht nur auf, es verstört auch.
Fragen darf man sich etwa, ob die expressive Bildsprache dem Gegenstand wirklich angemessen ist: Die gewollt anti-naturalistische Ästhetik holt zwar ein Maximum an Emotionen aus dem Gezeigten heraus. Gleichzeitig aber fördert sie mit ihrer omnipräsenten christlichen Symbolik eine allegorische Lesart des Films – und das ist problematisch.
Der Film suggeriert in einigen Szenen recht deutlich, dass Fortuna eine moderne Verkörperung der heiligen Mutter Maria sein könnte. Und diese Auslegung wiederum ermöglicht klare Rückschlüsse zur Identität des Kindes in ihrem Bauch, zu dessen Abtreibung ihr geraten wird.
Regisseur Germinal Roaux muss das nicht alles so direkt gemeint haben. Dennoch pocht er unmissverständlich auf das Recht einer missbrauchten, mittellosen Minderjährigen, Mutter werden zu dürfen.
Dieser Ansatz macht den Film kontrovers, aber auch eine Spur didaktischer als notwendig.