Die SRF-Serie «Seitentriebe» blickt unter die Bettdecke dreier Paare. Dabei wird enthüllt, was im Schweizer TV nicht immer selbstverständlich war. Das beweist ein historischer Blick auf Schweizer Liebesgeschichten im Fernsehen.
1. «Polizist Wäckerli in Gefahr» (1963/1966): Der ganz alltägliche Sexismus
Leider existiert die erste Serie des Schweizer Fernsehens nicht mehr. Die Videobänder wurden unmittelbar nach der Ausstrahlung gelöscht. «Spargründe» war die offizielle Begründung. Inoffiziell munkelte man von einer Fehde zwischen Fernsehdirektion und Drehbuchautor Schaggi Streuli. Die Löschung konnte als Disziplinierungsmassnahme des bärbeissigen Patriarchen verstanden werden.
Drei Jahre später folgte die Kinofortsetzung, die Aufschluss gab über Streulis Geschlechterbild. Damals guckten Herren jungen Damen noch ungeniert in den Ausschnitt. Die Gattin (gespielt von Margrit Rainer) durfte ein bisschen betrübt darüber sein – mehr nicht.
2. «Die sechs Kummerbuben» (1968): Aus der Zeit gefallen
Der 13-Teiler kostete damals die unglaubliche Summe von einer Million Schweizer Franken. Beim Publikum fand die Serie grossen Anklang, von der Presse kassierte sie einen Rundumverriss. Die NZZ warf dem Schweizer Fernsehen vor, wenig Ahnung zu haben von der «Potenz des einheimischen Filmschaffens».
Tatsächlich wirkt diese Produktion aus dem Umbruchsjahr 1968 wie aus der Zeit gefallen. Autor und Regisseur Franz Schnyder hat Gotthelf in die heutige Zeit verpflanzt.
Für Gotthelf war die Ehe und das Heim eine Burg, die es gegen die da aussen zu verteidigen galt. Das beherzigte auch Schnyder. Alles, was bloss ein Dezibel über Zimmerlautstärke ging, wurde vom Ehepaar Kummer schon als Streit betrachtet.
3. «Pop Schwiz» (1972): Nachhilfeunterricht von der Tochter
Die Zeitenwende fand auch Einzug in die serielle Fiktion. Im schwarzweissen Vierteiler versteht Vater Sturzenegger (Inigo Gallo) die Welt nicht mehr. Die Frau ist ihm davongelaufen – oder eher: ist das Opfer eines sanften Kidnappings durch die Minstrels geworden – ständig musizierende Nervensägen. Während der Abwesenheit seiner Gattin erhält Sturzenegger von der älteren Tochter Nachhilfeunterricht in Sachen Geschlechterkampf.
4. «Motel» (1984): Der erste schwule Kuss
Die Serie war ein Strassenfeger. Jeden Sonntag schauten 1,5 Millionen zu bei den Geschichten aus Egerkingen. Am Montagmorgen folgte unweigerlich eine Schlagzeile im «Blick». Denn statt Eskapismus kreierte das Team um Thomas Hostettler Geschichten, die sich ganz nah am Alltag bewegten – mit hohem Wiedererkennungswert.
Der Tabubruch – der erste schwule Kuss in der Schweizer Unterhaltungsfiktion – wog deshalb doppelt. Und anlässlich der Wiederholung zwei Tage nach der Erstausstrahlung wurden die explizitesten Szenen herausgeschnitten – auf Weisung der Fernsehdirektion.
5. «Motel» (1984): Kasperli hat Sex
Der fast noch grössere Tabubruch als gleichgeschlechtliche Liebe war eine eher keusche Sexszene mit Nationalliebling Jörg Schneider. Die Tatsache, dass der «Kasperli»-Darsteller und Autor im Bett mit einer Frau zu sehen war – verbunden mit einem sekundenlangen Busenblitzer – echauffierte einige Menschen so sehr, dass Jörg Schneider einen Shitstorm avant-la-lettre erlebte: «Meine Frau erhielt den Anruf einer Mutter. Sie drohte ihrem Kind die Kasperli-Platten wegzunehmen, wenn ich weiter solche Schweinereien machen würde.»
6. «Lüthi und Blanc» (1999-2007): Eine ganz normale Beziehung
Auch 20 Jahre nach «Motel» gab es noch böse Briefe: Dieses Mal wegen der schwulen Beziehung zwischen Musiker Thomas Lüthi und Model und Ex-Neonazi Urs Wicky. Die Beschwerden stammten vor allem aus evangelikalen Kreisen. Das Filmpaar erlebte in ihrer mehrjährigen Beziehung mehrere Auf- und Abs, bis es sich schliesslich trennte und ganz am Schluss der Schoggisoap wieder zusammenkam.
Einen Mann zu küssen störte den heterosexuellen Thomas-Lüthi-Darsteller Beni Fueter überhaupt nicht. Der Challenge fand anderswo statt: «Mich nervte es viel mehr, dass ich in der Serie Gitarre spielen musste, es aber eigentlich nicht besonders gut konnte und es deshalb uncool aussah.»
7. «Lüthi und Blanc» (2004): Ehetherapie bis zum Ende
Das Brot und die Butter der Schoggisoap waren die unzähligen Liebesbeziehungen. Keine war zentraler, keine aufwühlender, keine erhielt mehr Raum als die zwischen Martin und seinem «Chäferli» Catherine.
Das grosse Finale ihrer Ehe begann mit einer Therapie, die sie eigentlich retten sollte. Widerwillig und belustigt beginnt Martin Lüthi die Therapie und wird von ihr mitgerissen. Im wirklichen Leben wurden Isabelle von Siebenthal und Hans Schenker im Verlauf der Serie zum Paar und blieben es.