Die Schweiz als Schlusslicht: Gerade mal 5% der Schweizer Schulkinder kommen mit Filmbildung in Berührung. Das sagt eine europäische Studie von «Creative Europe» (ein Rahmenprogramm der Europäischen Union zur Förderung der audiovisuellen und kulturellen Branche) aus dem Jahr 2015. An der Spitze befinden sich die nordischen Länder Dänemark (81%), Irland (80%) und Schweden (75%). Das Thema «Filmbildung» in der Schweiz wurde während der Filmtage Solothurn diskutiert.
Im Interview erzählt Ivo Kummer, Leiter Sektion Film BAK, wie er die Filmbildung in der Schweiz beurteilt und warum die Filmlobby wenig beitragen kann.
SRF: Nur 5% der Schulkinder kommen mit Filmbildung in Kontakt. Was sagen Sie zu dieser Zahl?
Ivo Kummer: Die ist natürlich eindrücklich, weil sie so tief ist. Wenn man andere Fächer betrachtet, haben die Kinder viel mehr Kontakt, ich sehe hier schon ein Problem. Wir leben in einer audiovisuellen Welt und da ist Filmbildung etwas ganz Zentrales.
Stört es Sie, dass die Kantone ihre Aufgabe in der Filmbildung nicht wahrnehmen und Sie vom Bundesamt für Kultur dafür aufkommen müssen?
Also, wir können die Bildung in der Schule nicht ersetzen. Wir können nur Aktivitäten unterstützen, die ausserhalb der Schule stattfinden. Zum Beispiel Filmvorführungen für Kinder und Jugendliche. Wir können nicht direkt den Schulstoff beeinflussen. Diese Verantwortung liegt bei den Kantonen.
Aber der Zugang zur Filmkultur ist zentral wichtig für uns, weil die Kinder und Jugendlichen ein potentielles Publikum für den Schweizer Film sind. Je früher man damit in Kontakt kommt, desto besser.
Der Lehrerverband behauptet, dass die Filmlobby zu wenig Druck an den Schulen macht. Wie sehen Sie das?
Die Filmschaffenden sind primär daran interessiert, Filme zu machen. Selbstverständlich wollen sie die Filme danach auch zeigen, aber sie konzentrieren sich aufs Filmemachen. Bei der Filmvermittlung ist es tatsächlich so, dass dieser Bereich zu klein ist, um politische Lobbyarbeit zu leisten.
Die Informatik hingegen ist später in der Berufswelt viel gefragter als die Filmbildung. Die Codes der audiovisuellen Kommunikation zu entschlüsseln sind Kompetenzen, die für die Emanzipation des Jugendlichen wichtig sind, aber nicht direkt gewinnbringend für die Wirtschaft.
Medienbildung ist im neuen Lehrplan 21 integriert. Warum reicht das nicht?
Es kommt darauf an, wie viele Lektionen vorgesehen sind. Ich befürchte, dass dasselbe passiert wie in den 1980er-Jahren. Auch dazumal wurden Medien und Filmbildung als wichtig eingestuft.
An den pädagogischen Hochschulen wurden Studios eingerichtet. Aber nach zehn Jahren verschwand alles sang- und klanglos, weil andere Sachen dringender waren.
Braucht es ein Schulfach für die Filmbildung?
Audiovisuelle Kommunikation ist etwas Zentrales, das in Zukunft noch viel wichtiger sein wird als die eigentliche Sprache. Heute kommunizieren wir viel über Bilder und da sollten die Kompetenzen gefördert werden. Die Jugendlichen müssen lernen, wie man diese Bilder interpretiert und richtig einsetzt.
Wie muss Filmbildung in Zukunft gefördert werdet, damit die Schweiz im internationalen Vergleich aufholen kann?
Man muss sicher diskutieren, ob Filmbildung eine reine Aufgabe der Kultur ist oder ob die im Rahmen der Schule stattfindet. Unsere Mittel sind primär da, um die Herstellung der Kultur zu fördern und auch um die Vermittlung voran zu treiben. Aber mit den Geldern, die uns für die Filmbildung zur Verfügung stehen, kann man die Welt nicht neu erfinden.