Geschichtsschreibung ist immer eine Frage der Perspektive. Ein Afroamerikaner hat einen anderen Blick auf die Historie der USA als ein Ureinwohner oder ein Weisser. Eine Frau einen anderen als ein Mann. Eine Arbeiterin einen anderen als eine Firmenchefin.
Mit diesem Perspektivwechsel spielt Autor John Ridley in der fünfteiligen Comic-Reihe «The Other History of the DC Universe».
Eine andere Geschichte
John Ridley schreibt die Geschichte des fiktiven Superheldenuniversums neu, in dem sich unter anderem Superman, Batman und Wonder Woman tummeln. Und zwar aus der Sicht von Afroamerikanerinnen und -amerikanern, einer lesbischen Latina und einer Japanerin.
Das Ganze ist nicht nur für Nerds relevant. DC ist der zweitgrösste Comic-Verlag der USA und gehört zum Mediengiganten Time Warner.
Die Produkte sind Mainstream, es geht um die weit möglichste Verbreitung, um Profit, nicht Politik. Sprich: Man geht davon aus, dass die Comics gekauft werden. In diesem Kontext Geschichten über Rassismus zu veröffentlichen ist bemerkenswert.
Der erste Schwarze bei DC
Das erste Heft wird aus der Perspektive des Afro-Amerikaners Jefferson Pierce alias «Black Lightning» erzählt.
Heute kennt man den Maskenträger vor allem durch die gleichnamige TV-Serie. Er ist der erste Schwarze bei DC, der 1977 seine eigene Comic-Reihe bekam. John Ridley, damals 12, war beeindruckt:
«Ich habe Batman, Superman und die Justice League geliebt. Aber sie waren keine Charaktere, die aussahen wie ich … ich erinnere mich, wie ich mich als Kind gefühlt habe, als Black Lightning erschien, wie toll es sich anfühlte, dass es eine Serie gab, mit einem Farbigen, der im bürgerlichen Leben ein Lehrer war, wie meine Mutter», sagte der Autor der Fachzeitschrift «The Hollywood Reporter».
Dadurch, dass er aus der Perspektive von Black Lightning erzählt, legt John Ridley offen, dass die Historie der Superhelden, die mit Superman beginnt, von weissen Männern geprägt ist. Sie erfanden die Abenteuer, sie kämpften in den Heften. Von ethnischer Vielfalt keine Spur.
Der Mann vom anderen Stern
Bei Superman spiele es keine Rolle, dass er einer anderen Rassen angehöre, von einem fernen Planeten stamme, weil er die richtige Hautfarbe habe und ein patriotisches rot-weiss-blaues Kostüm trüge, stellt Black Lightning irgendwann fest.
In seiner Welt sind die maskierten Kämpfer weiss, männlich, privilegiert, realitätsfern, weil sie gegen Superschurken kämpfen, aber nicht soziale Ungerechtigkeit.
Superman im Suicide Slum
Sinnbildlich beschreibt John Ridley das in folgender Szene: Superman fliegt nach Suicide Slum, dem Ghetto, in dem Black Lightning Gangs bekämpft. Er glaubt der Presse, die in dem Afro-Amerikaner keinen Helden sieht, sondern einen Schläger und Vigilanten.
Superman erklärt Black Lightning, dass er auf der falschen Seite des Gesetzes stehe. Dessen Antwort: Wenn Superman nicht gegen die Drogendealer vorgehen wolle, könne er helfen Sozialbauten abzureissen und vernünftige Wohnungen zu errichten. Aber er könne nicht aus seinem weissen, privilegierten Teil der Stadt vorbeifliegen und ihm erklären, wie man ein Held sei.
Gegen «Vom Winde verweht»
John Ridley ist einer, der sich immer wieder mit Ungleichheit und Rassismus auseinandersetzt. Nicht nur im Comic. Den Oscar bekam er fürs Drehbuch des Sklavendramas «12 Years a Slave».
Vergangenes Jahr forderte er in der «Los Angeles Times», dass der Sender HBO den Klassiker «Vom Winde verweht» nicht mehr ohne eine vorangestellte historische Einordnung zeigen sollte, weil der Film den Horror der Sklaverei verharmlose. Der Sender kam der Forderung nach.
The Dark Knight is black
Neben «The Other History of the DC Universe» schreibt John Ridley an einer Comic-Reihe, in der Batman ein Afro-Amerikaner ist. Der Autor nutzt das populäre Genre der Superhelden, um seine Botschaft unterhaltsam unters Volk zu bringen:
«Es ist grossartig, dass meine Kinder Helden sehen, die wir ihre Mutter und ihre Freunde aussehen. Erfahren, dass Anderssein kein Handicap ist. Dass man sich nicht schlecht fühlen muss, wenn man sich ausserhalb der vorherrschend weissen Kultur aufhält», sagt der Autor.