1. Gewalt bringt nichts
Zwei Rancher kämpfen gegeneinander. Schon sehr lange. Sie kämpfen hart, brutal, fanatisch. Weshalb spielt eigentlich keine Rolle.
Eines Tages kommt ein Mann aus dem Osten in diesen Wilden Westen, wo sich jeder mit Waffengewalt durchsetzt. Er will die Tochter von einem der Rancher heiraten. Schnell steht er im Mittelpunkt des Konfliktes.
Nur hält der Mann nichts von Colts und Keilereien. Das ist die Ausgangslage von «The Big Country», einem Western der anderen Art. Es ist ein Film, der für Pazifismus plädiert, der sagt, dass Gewalt nie die Lösung sein kann.
2. Tiefgründiger Western
Regisseur William Wyler bürstete mit «The Big Country» 1958 das traditionelle Macho-Genre gegen den Strich. Der Film gilt heute als Paradebeispiel dafür, wie ein Western mit zeitlosen Themen – dank inhaltlicher Tiefe und komplexen Charakteren – umgehen kann.
William Wyler war kein Fremder im Wilden Westen. Bereits in den 1920er-Jahren drehte er dutzende Filme über revolverschwingende Viehhirten. Später folgten erfolgreiche Tonfilme mit Gary Cooper, wie «The Cowboy and the Lady» (1938) und «The Westerner» (1940).
Aber wieso wählte Wyler als Vehikel für seine Friedensbotschaft ein Genre, das bekannt ist für seine Machohelden und Schiessereien? Der Grund liegt in seiner Biografie.
3. Der Regisseur aus dem Elsass
William Wyler wurde in einer jüdischen Familie im elsässischen Mulhouse als Willy Wyler geboren. Als Sohn eines Schweizers verbrachte er einen guten Teil seiner Jugend in einem Internat in Lausanne. Seine Mutter war die Cousine von Carl Laemmle, dem Gründer der Universal Studios. Der gab ihm 1923 einen ersten Job in der Ausstattung. Nachdem er als Regieassistent gearbeitet hatte, durfte er erstmals 1925 Regie führen.
In nur wenigen Jahren etablierte sich William Wyler als Filmemacher: mit einem meisterhaften visuellen Stil und einer grandiosen Fähigkeit, das Beste aus seinen Darstellern herauszuholen.
Wyler wurde dafür bekannt, Szenen mehrfach zu wiederholen – und zwar so lange bis er vom Darsteller den Ausdruck und die Emotionen erhielt, die er wollte. Diese Gewohnheit brachte ihm den Spitznamen «40 Take Willy» ein.
Fakt ist: «40 Take Willy» führte seine Schauspieler zu mehr Oscar-Nominierungen als jeder andere Regisseur.
4. Wyler im Zweiten Weltkrieg
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, ging William Wyler zur Luftwaffe, weil er davon überzeugt war, dass die Nazis um jeden Preis gestoppt werden mussten.
Um der amerikanischen Zivilbevölkerung die Schrecken des Krieges aufzuzeigen, drehte er zahlreiche Dokumentationen. Er flog bei Bombeneinsätzen über Deutschland mit und erlebte wie Piloten und Mitglieder seines Filmteams getötet wurden.
Dabei war William Wyler bewusst, dass er sich als Jude einer grossen Gefahr aussetzte. Wenn er abgeschossen werden würde, würde er nicht wie ein normaler Kriegsgefangener behandelt, sondern in ein Vernichtungslager geschickt werden.
Als er am Ende des Krieges in seine Heimatstadt Mulhouse zurückkehrte, musste er feststellen, dass alle seine Freunde und Verwandten im Holocaust umgekommen waren.
5. Filme mit Botschaft
Durch die Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges verfestigte sich Wylers Überzeugung, dass der Krieg nur das letzte Mittel sein sollte.
Diese Einstellung schlug sich in seiner Arbeit nieder: «Friendly Persuasion», sein Film gleich vor «The Big Country», handelt von den vergeblichen Bemühungen einer friedlichen Quäkergemeinschaft, sich nicht in den amerikanischen Bürgerkrieg hineinziehen zu lassen.
Mit «The Big Country» brachte William Wylers seine Botschaft vom Frieden erneut auf die Leinwand. Das gefiel 1958 allerdings nicht allen Kritikern.
Bowsley Crowthers von der New York Times schrieb über «The Big Country»: «Frieden ist ein frommes Gebot, aber kämpfen ist aufregender.» Ein absurder Satz aus einer anderen Zeit. «The Big Country» zählt heute zu den besten Hollywood-Western.
6. Der legendäre Soundtrack
Der Schauspieler Burl Ives bekam als bester Nebendarsteller in «The Big Country» einen Oscar. Während den Schauspieler heute kaum einer kennt, hat der legendäre Soundtrack von Jerome Moross, der für Oscars nominiert war, aber nicht gewann, ein Nachleben.
Er gilt heute noch unter Musikkennern als Klassiker. Die britische Progressive-Rockband Yes verwendete die Musik Jahrzehnte später sogar in einer Bearbeitung ihres Covers von Richie Havens «No Opportunity Necessary No Experience Needed» (1970).