Mit Liebe, Sex und Träumen ist man nie fertig. Das wird in «Dreams», der dieses Jahr den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen hat, besonders klar. Im Film verliebt sich die 16-jährige Johanne in ihre Lehrerin. Ihre intensiven Fantasien und Gefühle der ersten Liebe hält sie schriftlich fest, um sie zu bewahren.
Ihre Mutter und Grossmutter, wehmütig an die eigenen amourösen Abenteuer erinnert, sind erst schockiert ob der Intimität und dann fasziniert ob der literarischen Qualität des Textes. Das sei die Geschichte über queeres Erwachen, sagt die Mutter. «Ich bin queer, weil ich in Johanna verliebt bin?», fragt Johanne irritiert zurück.
Sex ist niemals nur Sex
«Es geht in allen drei Filmen um Sexualität, sexuelle Identität und verschiedene Perspektiven darauf, was Liebe sein kann», sagt der norwegische Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller Dag Johan Haugerud. Selten wurde im Kino so offen über Sex gesprochen wie in seiner Trilogie. Ohne ihn explizit zu zeigen. «Ich denke, wir haben so viel Zugang zu Bildern über Sex», so der 60-Jährige, «aber nicht zu Gesprächen über Sex».
Liebe ist vielfältig. Und Sex ist niemals nur Sex. Darüber wird in den drei Filmen ausführlich gesprochen – erfrischend ehrlich, offen und witzig. In «Sex» erzählen sich zwei verheiratete heterosexuelle Schornsteinfeger von ihren erotischen Erlebnissen. Der eine träumt von David Bowie, der ihn ansehe, als wäre er eine Frau. Der andere hatte spontanen Sex mit einem Kunden, ohne sich untreu zu fühlen.
Ob er denn jetzt schwul sei, fragt ihn sein Kollege. «Nein, ich mache so etwas nicht noch mal», antwortet der andere. «Aber es war irgendwie schön. Zu spüren, dass ein wildfremder Mann mich auf diese Art und Weise will – und dem einfach nachzugeben.» Die beiden Freunde fangen daraufhin an, ihre Vorstellungen von Sexualität, Treue und Geschlechterrollen zu überdenken.
Fürsorgliche Hingabe und unverbindlicher Sex
«Love» erzählt von der Suche nach Intimität jenseits der Grenzen konventioneller Beziehungen: Der schwule Krankenpfleger Tor und die heterosexuelle Urologin Marianne arbeiten zusammen im Krankenhaus und treffen sich zufällig auf einer Fähre. Er fährt hin und zurück, hauptsächlich, um Männer aufzureissen. Doch dann lässt er sich auf den Therapeuten Björn ein und kümmert sich fürsorglich um ihn.
Marianne hingegen entdeckt den schnellen, unverbindlichen Sex für sich. «Direkt vom Knutschen mit dem Geologen zum Sex mit dem Handwerker», empört sich ihre beste Freundin. Sie sieht ihren Lebensentwurf von Mariannes Freiheit und ihrem grenzüberschreitenden Verhalten bedroht: «Was macht das aus mir? Eine schüchterne, verschlossene, langweilige Person, die Angst hat, ihr Leben zu leben?»
Befreiung von gesellschaftlichen Normen
«Wir fühlen uns durch die gesellschaftlichen Normen, durch unsere eigene Moral und durch die Erwartungen der Leute eingeschränkt», meint Regisseur Haugerud: «Es kann also sehr schwer sein, sein Sexualleben selbst zu bestimmen.»
Alle drei Filme drehten sich auch um den Versuch, sich zu befreien und zu erfahren, ob und wie das möglich sei. «Oslo Stories»: Die Trilogie zeigt humorvoll auf, wie ein Liebesleben auch noch sein könnte. Das berührt und stimmt nachdenklich.