Jonas (Urs Jucker) geht auf die Fünfzig zu. Seine Ehe ist gescheitert, den Schweizer Buchpreis hat er vor langer Zeit gewonnen (mit dem Reiseroman «Fucking Burma»), seine Depressionen hält er mit Psychopharmaka knapp in Schach und sein Geld verdient er mit Schreibworkshops in der Clubschule. Bis dort die quirlige Gina (Liliane Amuat) mit ihren Sudelheften voller unbekümmerter Tagebucheinträge auftaucht.
Lebenskrisen und wie man sie schlimmer macht
Ein ausgebrannter, depressiver Schriftsteller, eine neue Verliebtheit und seine filmisch umgesetzten Tag- und Nachtträume: Ein Gerüst, das schon manche Tragikomödie über ihre eigenen Untiefen getragen hat. Der Klassiker des Genres ist «Le magnifique» mit Jean-Paul Belmondo, am bekanntesten die «Romancing the Stone»-Komödie mit Michael Douglas, Kathleen Turner und Danny DeVito in den Hauptrollen.
Eine Tragikomödie um Lebenskrisen «und wie man sie schlimmer macht» möchte «Der Frosch» sein. Und ist es auch zum grössten Teil.
Jann Preuss ist ein erfahrener und erfolgreicher Drehbuchautor. Nach seinen Scripts entstanden sowohl Micha Lewinskys «Die Standesbeamtin» wie auch Til Schweigers «Barfuss». Und wie er selber anmerkt, kennt er die Probleme seiner Hauptfigur aus seinem eigenen Leben. Aber offensichtlich hat sein Jonas auch seine Stärke: Der Mann kann schreiben. Wenn er gerade nicht blockiert ist.
Hemingway-Träume
Die Einführung der Figur in seinem depressionszerwühlten Bett und seinem Alltag hat ordentlich Tempo und Witz. Es dauert auch nicht lange, bis uns der Film in Jonas' Hemingway-Träume mitnimmt, irgendwo im Amazonas-Gebiet, in die Wildnis, wo er sich als Macho-Jäger, Frauen-Beglücker und Tasten-Bezwinger bewährt. Bis ihn der Alltag einholt, der Wecker piepst, seine Schützlinge im Schreibkurs ihm den Unterschied zwischen Orks und Goblins erklären.
Und gerade, als er die hoffnungsvollen Nachwuchsschreiber resigniert fragt, ob den niemand unter ihnen etwas Eigenes, Direktes, Erlebtes zu Papier bringen möchte, platzt Gina herein, leert ihre Tasche mit Musikplayer und Bikini auf der Suche nach ihren Schreibversuchen und fällt mit ihren ersten selbst erlebten Sätzen in sein gequältes Herz.
Figur ohne Eigenleben
Bis zu diesem Punkt und etwas darüber hinaus bleibt man emotional bei Jonas und mitten im Filmgeschehen. Wenn er in seiner Verliebtheit Ginas Schreibversuche seinem Verlag andient und ihr dann auch gleich beim Überarbeiten hilft, wenn sie bei ihm einzieht, sich bestens mit seiner Tochter versteht, und wenn sie nun die Frau darstellt in seinen Hemingway-Träumen, dann bleibt man gerne dran.
Liliane Amuat (dieses Jahr in gleich drei Filmen zu sehen, neben dem «Frosch» auch in Micha Lewinskys « Lotto » und Lisa Blatters « Skizzen von Lou ») hat eine Präsenz, welche Jonas‘ Begeisterung absolut nachvollziehen lässt.
Aber leider verlässt sich Regisseur und Drehbuchautor Preuss schliesslich zu sehr auf diese Ausstrahlung und vergisst (oder verzichtet darauf), Gina ein Eigenleben zu geben, das mit jenem von Jonas wirklich interagiert.
Das meiste bleibt einem emotional fern
Denn der ganze mittlere Teil des Films, der zeigt, wie Jonas die Psychopharmaka absetzt (weil er die Geduld mit seiner temporären Impotenz verliert), wie er in die alte manische Maschinerie versinkt und alle seine Erholungserfolge wieder zunichte macht, der läuft ab wie ein präzises, eindrückliches Uhrwerk. Und wie bei einem Uhrwerk führt die Präzision dazu, dass dieser Teil des Films ohne Überraschung, Beschleunigung oder Verzögerung abläuft.
Vielleicht hat Preuss sich davor gefürchtet, Gina zur Retter-Figur werden zu lassen. Vielleicht war es ihm auch einfach daran gelegen, die Erfahrungen des Alltags ehrlich umzusetzen. Aber für den Filmverlauf bringt das eine ganze Weile wenig, über Absturz und beinahe Katastrophe hinaus bleibt einem das meiste emotional eher fern.
Mit Ausnahme einiger extrem witziger Situationen, die aber umso stärker zeigen, wie überraschungslos der Absturz ansonsten vor sich geht.
Erstklassiges Handwerk, wenig Überraschungen
Am Ende nimmt Preuss allerdings die Fäden noch einmal auf und gesteht auf einmal allen Figuren einen gewissen Handlungsspielraum zu. Da wird der Film in seiner durchgehenden Ehrlichkeit auch noch einmal melancholisch und schmerzlich.
«Der Frosch» ist erstklassiges Handwerk, fast durchgehend beeindruckend gut geschrieben und konstruiert, und stellenweise berührend. Bloss fehlt ihm die Unberechenbarkeit, die Explosivität der echten Interaktion, wenn zwei Menschen aufeinander treffen und mehr dabei abgeht, als das, was uns die Erfahrung schon vorgeführt hat.
Kinostart: 23.03.2017
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.03.2017, 16:50 Uhr