Sie gilt als Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte: Die Ausstrahlung der vierteiligen US-Serie «Holocaust – die Geschichte der Familie Weiss» im Januar 1979. Diese Tage nun wird die Serie im deutschen Fernsehen erneut gezeigt.
Neun Fragen und Antworten zur Mini-Serie mit dem grossen Nachhall.
Wie kam die Serie damals in Deutschland an? Sie war sehr erfolgreich. Rund 20 Millionen Menschen sahen sie sich an – das war ungefähr jeder dritte Bewohner der Bundesrepublik Deutschland. Das Fernsehpublikum soll haufenweise geweint haben.
Wieso hatte «Holocaust» eine so grosse Wirkung? Die Serie war ein emotionaler Schock für Deutschland. Sie zeigt trockene, unfassbare Fakten auf einer emotionalen, persönlichen Ebene. Ihr Inhalt war zwar eigentlich Schulstoff. Nicht alle Deutschen haben ihn in der Schule aber so gelernt.
Welche Nachwirkungen hatte die Serie? Das ist schwer zu sagen. Es gibt aber Theorien darüber, dass die Serie daran beteiligt war, den damals noch nicht gebräuchlichen Begriff «Holocaust» für den Genozid an den Juden durchzusetzen. Zudem soll eine unmittelbare Folge der Ausstrahlung die Aufhebung der Verjährungsfrist für Mord in Deutschland sein.
Worum geht es in der Geschichte? Um je eine jüdische und eine nicht-jüdische deutsche Familie. Die jüdische Familie Weiss ist eine Ärztefamilie aus dem gehobenen Mittelstand, die deutsche Familie Dorf ist eine Mitläuferfamilie: Der Vater ist SS-Mitglied aus Opportunismus.
Was passiert diesen Familien? Familie Weiss durchlebt in vier Folgen so gut wie alles, was jüdischen Familien zu dieser Zeit passieren konnte: Flucht, Deportation, Konzentrationslager, Folter, Mord. Der Vater von Familie Dorf hingegen macht Karriere in der SS.
In welchem Stil ist die Serie gefilmt? Als Seifenoper. Die Ereignisse finden stark verdichtet und an vielen Schauplätzen statt. Dadurch werden sie emotional nachvollziehbar. Einige Historiker und auch der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel bemängelten diese Form: Ein so ernstes Thema könne man nicht in einer Seifenoper zeigen.
Wie war das Echo auf die Serie in Deutschland? Die Diskussionen waren extrem: Rechtsextreme versuchten schon vor der Ausstrahlung, Sendemasten zu sprengen, um die Ausstrahlung zu verhindern. Bei den Live-Diskussionen, die die Sender nach der Ausstrahlung zeigten, meldeten sich tausende Zuschauer per Telefon. Viele waren erschüttert, einige leugneten aber auch den Inhalt der Serie.
«Holocaust» ist eine amerikanische Produktion. Wie macht sich das bemerkbar? Man sieht Schauspieler, die später bekannt wurden – allen voran Meryl Streep aber auch James Woods. Die Serie orientiert sich auch stilistisch stark an der amerikanischen TV-Ästhetik: beispielsweise durch die starke Verdichtung der Handlung.
Wie ist die Serie 40 Jahre nach der Ausstrahlung zu beurteilen? Die Serie hat funktioniert, findet SRF-Filmredaktor Michael Sennhauser. «Holocaust» habe das Geschichtsbewusstsein gestärkt und den Menschen einen emotionalen Zugang zum Thema gebracht – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz. Dass die Serie eine starke Nachwirkung hat, zeigt sich auch darin, dass bis heute darüber debattiert wird: So kritisiert etwa der « Spiegel » die ARD, weil diese die Serie zum Jubiläum nicht zur Hauptsendezeit zeigt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 7.1.2019, 6.50 Uhr.