SRF: Musikalische Quizfrage zum Auftakt: Was ist der Unterschied zwischen einer Oper und einem Singspiel?
Josef Hader: Sie prüfen mich? (lacht) Das Singspiel hat Arien, und die Zwischentexte sind Dialog – so wie in der «Zauberflöte» oder in der «Entführung aus dem Serail».
Eine Oper aber hat zu Mozarts Zeiten Rezitative. Die Stellen zwischen den Arien sind vom Cembalo unterlegt.
In Ihrem Regie-Debüt kennt eine Journalistin diesen kleinen Unterschied nicht. Was die Hauptfigur des Films – der von Ihnen selbst gespielte und gerade gefeuerte Musikkritiker – ihr unter das Näschen reibt. Weil ausgerechnet sie seine Stelle erbt.
Man muss dazu sagen: Das ist Korinthen-Kackerei. Natürlich ist Mozarts «Zauberflöte» eine Oper. Meine Figur will es halt nicht wahrhaben.
Gerhard Schröder hat den Narzissmus in der Politik salonfähig gemacht.
Korinthen-Kackerei – und doch eine Spitze gegen die Presse, wenn Journalisten über Themen schreiben, von denen sie wenig Ahnung haben. Wie lange geben Sie der Zeitung noch?
(lacht) Der amerikanische Präsident steht kritisch Zeitungen gegenüber. Grundsätzlich. Ich stehe Zeitungen grundsätzlich nicht kritisch gegenüber. Das Gelingen der Demokratie wird davon abhängen, ob diese Art von kommentierter und bewerteter Information überlebt.
Seine Entlassung wirft den Musikkritiker aus der Bahn. Er verschweigt sie seiner Frau, schwört Rache. Grossfrage: Definieren wir uns zu stark über unseren Beruf?
Die Jungen haben die Familie schon viel stärker im Auge als meine Generation.
Sie hatten nur die Karriere im Kopf?
Das war die Generation Schröder. Wenn die Deutschen sagen, dass Putin so wahnsinnig schlimm sei oder Trump, dann sage ich immer: Gerhard Schröder hat den Narzissmus in der Politik salonfähig gemacht – in der Nacht seiner Abwahl. Da hat er sich aufgeführt, als wäre er Wladimir Putin und Donald Trump in Personalunion.
Wenn wir mit Trump in die Schule gegangen wären, hätten wir ihn cool finden können.
Zur besten Sendezeit – live im deutschen Fernsehen.
Karriere-orientierte Männer gab es zu jeder Zeit – am meisten in Zeiten der Umwälzung. Leute wie Schröder trugen Glockenhosen und lange Haare und stellten die Welt vorher so richtig in Frage.
Das ist in der Jugend sympathisch, später deutlich weniger. Wenn wir mit Trump in die Schule gegangen wären, hätten wir ihn cool finden können. (lacht)
Der Mensch von heute hat flexibel zu sein, soll sich alle zwei Jahre neu erfinden. Sie sagen im Film: «Ich war 25 Jahre Musikkritiker. Ich kann nichts anderes.» Die Wandlung nicht wollen: Man kann diese Haltung auch als Protest verstehen?
Das ist eine sehr schöne Aussage, die ich so nie im Auge hatte. (denkt nach) Ich persönlich habe das nie hinterfragt. Weil ich einen Beruf habe, zu dem es gehört, dass man sich dauernd neu erfinden muss.
Aber inzwischen muss das jeder Installateur tun. Es gibt jetzt auch Oscars für Tischler! Was die Künstler vorleben, gilt heute für alle Bevölkerungsschichten. Ein freundliches Spiel, wie man die menschlichen Ressourcen dem Neoliberalismus noch mehr zu Füssen legen kann.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
Es ist gut, dass der Mensch sagen kann: Ich beginne wieder bei Null, wenn mir etwas zusammengebrochen ist. Oder ich lasse was zusammenkrachen, wenn es mir nicht gefällt. Wahrscheinlich ist auch die französische Revolution durch Flexibilität entstanden.
Ich will, dass die Leute im Kino sich selber zuschauen müssen.
Der Mann hat keine Arbeit – die Frau will doch noch rasch ein Kind: das Drama des Mittelstandes, das auch Ihre Figuren aufreibt?
Es soll uns weiter so gut gehen wie jetzt – und unseren Kindern noch ein bisschen besser. Von dieser Zuversicht war der Mittelstand in meiner Kindheit geprägt.
Jetzt erodiert der Mittelstand. Und mit dieser Erosion entstehen neue politische Kräfte. Vor allem neue rechte Kräfte. Diese Kräfte siedeln sich genau an dieser Schnittstelle an.
Wobei Ihre Hauptfigur nicht rechts ist. Eher apolitisch.
Der hat eine Wut, die ihn hie und da in ein Waffengeschäft führt. Österreichische Arthouse-Filme erzählen ja immer von Leuten, die Kinder im Keller halten. Oder sie zeigen dem liberalen Städtepublikum, wie Nazis leben. Ich will, dass die Leute im Kino sich selber zuschauen müssen.
Scheitert der Widerstand des Mittelstands an der Mutlosigkeit, den einen, vielleicht entscheidenden Schritt weiterzugehen? Eine Maus kann noch so wild werden – zur Raubkatze wird sie nie.
Wir können das als Scheitern sehen. Wir können es aber auch als grossen Vorteil sehen. Die grossen Katastrophen der Weltgeschichte handelt doch von Leuten, die entschieden ganz weit gehen. Und dann grandios scheitern. Das kleine Scheitern ist vielleicht für uns die bessere Lebensform.
Das Gespräch führte Stefan Gubser.