Anders als chaotisch kann ein Film über Peter Doherty gar nicht werden. Nicht nur wegen seiner Sucht ist der Musiker ein schwer greifbarer Zeitgenosse. Nun wagt seine Ehefrau Katia de Vidas mit «Peter Doherty: Stranger In My Own Skin» eine filmische Annäherung.
Dohertys Leben beginnt in strengen Bahnen: Der Sohn eines Offiziers im britischen Militär wuchs auf verschiedenen Armeestützpunkten auf. Doherty beschreibt im Film eine triste Kindheit hinter Stacheldraht.
Zusammen gehen lernen
Ziel sei es gewesen, so schnell wie möglich von dort wegzukommen. Prägend auf diesem Weg war die Begegnung mit Carl Barât, mit dem er die Band The Libertines gründet. Die beiden verbindet eine bis heute andauernde, enge und schwierige Beziehung. Barât beschreibt sich und Doherty als zwei Einbeinige, die gemeinsam zu gehen lernen.
Die Libertines haben rasch grossen Erfolg. Mit ihren beiden ersten Alben sind sie die Band der Stunde. Obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt als mittelmässigen Musiker beschreibt, erweist sich Doherty als poetischer Songwriter, der zusammen mit Barât eine faszinierende Bühnenpräsenz hat.
Ekstase in der Masse
Doherty ist von Rockmusik als Massenerlebnis fasziniert. Als Erweckungsmoment beschreibt er nicht etwa ein Konzert, sondern einen Fussballmatch: Als Kind habe er mit seinem Vater ein Spiel besucht – und sei gebannt gewesen von der gemeinsam singenden Menschenmenge. Dieses ekstatische Massenerlebnis habe er als Musiker gesucht.
Dohertys Karriere wird von Anfang an von einer schweren Drogensucht begleitet. Wie und wann Doherty zu den Drogen kam, wird im Film nicht erklärt. Aber es wird unmissverständlich gezeigt, wie sehr sein Leben von Drogen bestimmt wird.
Seine Kreativität hänge nicht von Drogen ab, sagt Doherty. Die Kunst mache der Mensch, nicht die Droge. Er sei trotz seiner Sucht kreativ, und trotz seiner Nüchternheit.
Stammgast in den Klatschblättern
2004 gehen die Libertines im Streit auseinander. Kurz darauf beginnt Doherty eine Beziehung mit dem Supermodel Kate Moss (die im Film mit keinem Wort erwähnt wird). Spätestens ab da sind Doherty und seine Sucht regelmässig Thema in der Regenbogenpresse.
Immer wieder unternimmt Peter Doherty Entzugsversuche, die nicht lange halten. Als Musiker bleibt er beinahe durchgehend produktiv. Er gründet mit den Babyshambles eine zweite erfolgreiche Band, veröffentlicht mehrere Soloalben und selbst die Libertines finden in ihrer ursprünglichen Besetzung wieder zusammen.
Porträt eines Abhängigen
Der Film «Stranger in My Own Skin» zeichnet Dohertys musikalische Entwicklung und den Kampf mit der Sucht nach. Regisseurin Katia de Vidas ergänzt Archivmaterial mit Szenen, die sie in den letzten zehn Jahren selbst gedreht hat, zu einer etwas chaotischen Collage.
Als Mensch bleibt Doherty schwer fassbar. Auch, weil es im Film in erster Linie um ihn als Junkie geht und nicht als Künstler. Immer wieder ist Doherty in verwahrlosten Zimmern mit weggetretenem Blick zu sehen. Man hört ihn oft schwadronieren, aber es gibt nur wenige Momente der Klarheit.
Doherty schaut im Film einigermassen optimistisch in die Zukunft. Ob er clean sei, fragt er sich am Ende selbst. Und antwortet: Er könne clean sei, sei es aber nicht immer.
Die entscheidende Frage sei, ob er es schaffe, ohne Drogen glücklich zu sein. Die Tatsache, dass Peter Doherty immer noch da ist, stimmt einen da vorsichtig optimistisch.