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Film & Serien Zwei verfeindete Brüder ringen um ihre Schafe – und die Liebe

Sture Böcke prägen den isländischen Film «Hrútar»: Zwei Brüder, beide Schafzüchter, reden seit Jahren nicht mehr miteinander – bis eine tödliche Krankheit ihre Schafe befällt. Nun tun sie alles, um ihre Zucht und sich selbst vor dem Untergang zu retten. Traurig-schönes Porträt einer Bruderliebe.

In einem abgelegenen Tal auf Island leben die Menschen seit Generationen hauptsächlich von der Schafzucht. Den jährlich stattfindenden Wettkampf um den schönsten Schafbock hat gerade Kristin Bólvarson, genannt Kiddi, gewonnen – sehr zum Ärger seines Bruders und Konkurrenten Gummi.

Die Brüder halten ihre Schafe nebeneinander auf dem geerbten Land. Aber sie reden seit Jahren nicht mehr miteinander. Das sei nicht ungewöhnlich im ländlichen Island, sagt Regisseur Grímur Hákonarson – das habe mit der Kleinheit der Gemeinden und der Isoliertheit der Menschen zu tun.

Drama hoch zwei

Auf Island wohnen nur etwa 320'000 Menschen. In einem Tal wie jenem, in dem der Film spielt, besteht eine Gemeinde aus weniger als 50 Menschen. Da kennt jeder jeden, über Generationen hinweg. Eine Frau zu finden ist daher nicht einfach für einen jungen Schafzüchter. Ebenso schwierig ist es, eine Familienfehde beizulegen, wenn niemand da ist, der vermitteln könnte.

Video
Trailer «Hrútar»
Aus Kultur Extras vom 26.11.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 30 Sekunden.

Zum Familiendrama der beiden Brüder kommt jedoch noch ein Drama hinzu, das die ganze Gemeinde betrifft: Unter den Schafen bricht die tödliche Traberkrankheit aus. Der gesamte Schafbestand des Tals muss getötet und verbrannt werden. Während sich der eine Bruder an die Verordnung des Veterinäramtes hält, weigert sich der andere, seine Schafe aufzugeben.

Bühnenschauspieler spielen die Hauptrollen

Der Film spielt im heutigen Island, ohne Nostalgie, dafür mit viel trockenem Drama, aber auch mit feinem Humor. Die zerstrittenen Brüder kommunizieren, wenn es gar nicht anders geht, über knappe Briefe, die Kiddis treuer Hirtenhund zwischen den beiden Häusern hin- und herträgt. Das sei die einzige Erfindung in seinem Drehbuch, sagt Hákonarson. Alles andere beruhe auf der Kombination tatsächlicher Begebenheiten.

Links der Kopf eines weissen Schafbocks, rechts ein Mann, der den Bock mit der Hand beschwichtigt.
Legende: Ein Schafbock trainiert für den Film. Xenix Filmdistribution

Getragen wird der Film von zwei grossartigen Bühnenschauspielern: Theodór Júlíusson und Sigurður Sigurjónsson – und natürlich von den Schafen, mit denen vor Drehbeginn drei Tage lang geprobt wurde. Sigurjónsson ist vor allem bekannt als Stand-up-Comedian, Júlíusson kennt man von der klassischen Bühne und über Fernseharbeit. Von der Filmarbeit allein könne in Island niemand leben, dafür entstünden viel zu wenig Spielfilme, sagt der Regisseur.

Nur Koproduktionen sind realisierbar

Wie die Schweiz hat auch Island einen Heimmarkt – und der funktioniert nicht einmal mit erfolgreichen Filmen kostendeckend. Zwar gingen die Leute ins Kino, aber neben zwei Multiplex-Kinos in Reykjavik gebe es auf dem Land nur wenige Kinos, die regelmässig Filme zeigten, sagt Hákonarson. Filme seien, ähnlich wie in der Schweiz, nur als Koproduktionen mit anderen Ländern finanzierbar. Im Falle von «Hrútar» kamen Teile des Budgets aus Dänemark, Polen und Norwegen.

Nicht nur das Spiel der Darsteller ist überzeugend, sondern auch das ganze alltäglich-absurde Drama. «Hrutàr» (englisch: «Rams») ist ein realistischer ländlicher Film im Hier und Jetzt, eine menschliche, sehr lokale Tragikomödie mit internationaler Ausstrahlung. Ein überaus exportfähiger Film also, aus einem sehr eigenwilligen Land – und damit ein Film, der – rein theoretisch – auch in der Schweiz hätte entstehen können.

Sendung: Radio SRF2 Kultur, Kultur kompakt, 25.11. 2015, 17:06 Uhr

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