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Game-Review «Dream Daddy»: Vater liebt Vater

«Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» überraschte uns diesen Sommer in den Steam-Top-Charts. Kurz vor dem Fest der Liebe holen wir nun den Hit nach: Als Game überzeugt «Dream Daddy» nicht. Als interaktiver Roman übers Vatersein und über Männlichkeit hingegen ist das Spiel gut, nötig und wichtig.

Es beginnt mit einem Neustart: Der Partner ist bei einem Unfall verstorben, die Tochter Amanda im letzten Jahr der High School und wir ziehen quer über die Maple Bay an einen neuen Ort. Das Leben als alleinerziehender Vater ist hart. Zum Glück wohnen am neuen Ort rings herum andere Väter mit ihren Kindern. Ideale Voraussetzungen also, dass unsere Tochter das letzte Schuljahr übersteht und wir unser Beziehungsglück finden können.

In der Sackgasse, in die wir ziehen, wohnen gleich sieben interessante Männer mit ihren Kindern – die Auswahl für unseren Vater ist also vielversprechend. Ihn erstellen wir gleich zu Beginn des Games: Dieser «Dadsona» verpassen wir eine Vorgeschichte und – passend zum gewählten Namen Alan Turing – einen schlaksigen Körper, Brille und Geheimratsecken. Dank Amanda erfahren wir zudem von «Dadbook» – einem sozialen Netzwerk, in dem wir andere Väter daten können, auch die unserer Nachbarschaft.

Schwulsein ist kein Thema

«Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» ist also so, wie viele andere Dating-Simulatoren auch: Ein interaktiver Roman, in dem wir Entscheidungen in Gesprächen treffen und versuchen, Väter in unser Bett zu kriegen. Oder zumindest eine schöne Zeit mit ihnen verbringen. Nach drei Dates mit demselben Vater – rund zwei Stunden Spielzeit – haben wir das Ende der Geschichte erreicht und können mit einer neuen «Dadsona» einen weiteren Dating-Verlauf mit einem anderen Vater ausprobieren.

Mats Dadbook-Seite
Legende: Dadbook-Dating. Screenshot SRF

«Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» ist nicht 0815-High-School-Teenie-Drama-Dating. Schliesslich treffen wir als schwuler oder zumindest bisexueller Vater andere schwule oder bisexuelle Väter. Das wird jedoch als gegeben angenommen und kaum diskutiert. Coming-out, Adoptionsschwierigkeiten, Homophobie und andere Lebensfragen schwuler Männer sind kein Thema. Auch in Bezug auf Sexszenen ist «Dream Daddy» äusserst zahm. Beides stand aber nicht im Fokus der beiden Macher, wie sie in einem Interview erklären . Und beides bedient bereits « Coming Out On Top » von Obscurasoft (2014).

Daddiest of all Dads

Worin «Dream Daddy» brilliert ist sozusagen die «Daddiness» – das Vatersein. Zum einen steht die Beziehung von unserem Vater zu seiner Tochter Amanda im Vordergrund. Wir begleiten sie an der Schwelle zum Erwachsenenleben, erinnern uns an ihre Kinderjahre, helfen ihr bei Beziehungskrisen und lassen uns wiederum von ihr helfen, wenn uns die moderne Technik überfordert.

Einmal durchschlafen wäre schön, findet Übervater Craig.
Legende: Vaterfreuden. Screenshot SRF

Zum anderen treffen wir Väter, die ebenfalls Kinder grossziehen. Und während wir Softball spielen, Fische fangen oder im Park verlorene Stofftiere suchen, führen wir intime Gespräche. Übers anstrengende Vatersein, Männlichkeit, die eigenen Väter, übers Älterwerden.

Da ist etwa Craig, der perfekte Über-Vater. Craig, der sich für seine drei Kinder bis zum Äussersten verausgabt, gleichzeitig extrem viel Sport treibt und die anstrengenden Avancen der Krippenmütter abwehrt. Und nahe der absoluten Erschöpfung ist und sich selber komplett vergisst. Jeder der Väter repräsentiert sozusagen einen Männer-Archetyp – der im Verlauf der Dates genüsslich gebrochen wird. Diesbezüglich ist «Dream Daddy» einzigartig: Es geht um Männlichkeit (selten in Games) und das Vatersein (noch seltener!).

Kein überzeugendes Game

Abgesehen davon überzeugt «Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» als interaktiver Roman. Die Figuren sind facettenreich und gut geschrieben, die Dialoge witzig und tiefgründig. Als Game mag «Dream Daddy» hingegen nicht zu begeistern. Man merkt, dass es primär von zwei Personen – Leighton Gray und Vernon Shaw vom Youtube-Channel « Game Grumps » – entwickelt wurde, die beide nicht viel Erfahrung in der Game-Entwicklung haben.

Ballwerfen als Minigame auf dem Jahrmarkt.
Legende: Die Minigames sind krude und simpel. Screenshot SRF

Gewisse Dates werden durch Minigames angereichert, die vielleicht lustig sind, aber derart krude und hakelig, dass sie letztlich keinen Spass machen. Auch eine Vertonung existiert nicht: Ausser etwas Musik und Interjektionen («hmpf», «hmmm», «äääähm») ist nichts zu hören. Immerhin: Es gibt einen Vorspulknopf, um einige der immer wiederkehrenden (und damit langweiligen) Dialogsequenzen zu überspringen.

Lettuce Talk

Womit «Dream Daddy» gekonnt spielt, ist mit queerer (Internet-)Kultur und Memes. Denn der « Daddy » scheint allgegenwärtig: sei es der spendierfreudige ältere «sugar daddy», der schwule «leather daddy» oder der coole «pimp daddy». Selbst die Anhänger der Alt-Right-Bewegung – allen voran Milo Yannopoulos – sprechen gerne von ihrem «Daddy» und meinen damit Donald Trump.

Thorough ANALysis
Legende: Dad Joke. Screenshot SRF

«Dream Daddy» nimmt also diesen Begriff mit all seinem Gewicht – und setzt ihn in seiner ursprünglichen Bedeutung als Vater fast schon bierernst um: Als Game über echte Traumväter eben. Auch sonst versteht es «Dream Daddy», auf der Klaviatur der «Dad Culture» zu spielen, etwa mit konstanten und extra platten Sprachwitzen, wie sie für « Dad Jokes » typisch sind. Und wo es um Sex und Männer geht, dürfen fliegende Auberginen und noch mehr platte Witze («Lets ANALyze this») natürlich nicht fehlen.

Nötiges «Game»

Kurz: So wenig «Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» als Game funktioniert, so sehr mag es als interaktiver Roman zu gefallen: Es ist witzig, hübsch gezeichnet und überrascht mit facettenreichen Figuren. Gleichzeitig bespielt es erfolgreich alle Dad-Memes und -Witze, die wir in den letzten Jahren beobachten konnten.

Aber «Dream Daddy» ist noch viel mehr. Ein Game, das Vatersein und Männlichkeit thematisiert, ist rar und wichtig. Nach all den Debatten um die Repräsentation von Frauenfiguren in Games ist es an der Zeit, auch über Männerfiguren und ihre Repräsentation zu sprechen. Und sei es in Form eines Dating-Simulators, in dem schwule Väter andere queere Väter kennenlernen.

«Dream Daddy: A Dad Dating Simulator» läuft auf Windows, Linux und Mac. Es gibt keine offizielle Altersfreigabe.

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