Es ist ein wirklich aussergewöhnliches Konzept, das sich die Macher des neuen Virtual-Reality-Horror-Spiels «Stifled» ausgedacht haben. Während andere VR-Spieles möglichst attraktive 360-Grad-Welten zeigen wollen, wurden in diesem Spiel einfach die Lichter gelöscht.
Stockfinster ist es also unter unserer VR-Brille. Ausser, wir geben ein Geräusch von uns. Denn jeder Mucks erzeugt eine Schallwelle, die wiederum an Wänden und Gegenständen abprallt, um uns so Feedback zu geben. Ganz ähnlich wie Fledermäuse dies auch tun, orientieren wir uns in «Stifled» also über Echos.
Doch die Geräusche helfen nicht nur beim Sehen, sie locken auch Gegner an. Und nicht nur unser Mikrofon kann Geräusche erzeugen, auch unsere Schritte erzeugen je nach Untergrund Lärm. Um die Monster von uns wegzulocken, müssen wir also woanders Geräusche erzeugen. Gut liegen überall Gegenstände herum, die man durch die Finsternis schmeissen kann.
Der harte Boden der Realität
Nachdem ich zum ersten Mal von dieser faszinierenden VR-Idee gehört hatte, wollte ich sie unbedingt ausprobieren. Und nicht nur ich war von der Idee begeistert, «Stifled» erhielt schon vor dem Release viel Vorschusslorbeeren in Form zahlreicher Awards. Doch als ich das Spiel endlich auf meiner Brille hatte, war ich bereits nach wenigen Sekunden völlig ernüchtert.
Aber von vorne: «Stifled» beginnt im trauten Heim der erst noch sehenden, namenlosen Hauptfigur. Mit Grafik, die mich an die guten alten Playstation-2-Zeiten erinnert. Wir marschieren im Schneckentempo ─ denn rennen geht nicht ─ an ein paar schmucklosen Räumen vorbei, in denen man zwar jede Schublade öffnen kann, aber nirgends etwas Sinnvolles findet.
Einige ziemlich übertriebene und trotzdem schwer zu ortende Soundeffekte locken uns uns aus dem haus und – Zack! – Autounfall. Wir gehen ein paar Schritte weiter und – Zack! – blind. Erklärt wird in diesem Spiel eigentlich nichts. Auch das kleine Familiendrama, das sich als Geschichte durch das Game zieht, bleibt rätselhaft.
Gruselstimmung? Fehlanzeige!
Bald tappen wir bei «Stifled» also nur noch im Dunkeln. Zum Glück, denn die Grafik kann man sich in diesem Spiel wirklich sparen. Leider hilft da auch die Dunkelheit wenig, denn selbst die darstellung der Umrisse ist enttäuschend, in denen wir die Welt nun sehen. Die immer gleichen Rohre folgen auf die immer gleichen Steine in den immer gleichen kahlen Gängen. Gruselige Stimmung kommt so leider keine auf.
Daran ist nicht nur die Optik Schuld, sondern auch das Sounddesign. Denn während es andere Spiele oder Filme fertigbringen, mir alleine mit ihrer dramatischen Musik die Nackenhaare aufzustellen, gehen die Streicherklänge in «Stifled» eher auf den Geist.
Nicht zuletzt deshalb, weil eigentlich nie etwas Schlimmes passiert. Genau drei verschiedene Gegner gibt es in diesem Spiel. Zur Wehr setzten können wir uns nicht wirklich, die einzigen Optionen sind ruhig sein und ausharren oder ablenken und weglocken. Zugegeben, wenn man das erste Mal auf eines der Monster trifft, kann das noch für Schrecken sorgen (siehe links). Doch der Effekt flacht leider sehr schnell ab.
VR steht hier für: Verrückte Reden halten
Für mich persönlich ist das Schlimmste an «Stifled» VR allerdings das Spielprinzip selbst. Schon nach wenigen Minuten komme ich mir richtig blöd vor: Ich sitze alleine in meinem Wohnzimmer unter einer VR-Brille und rede ununterbrochen wirres Zeug, um Schallwellen zu erzeugen.
Das mag vielleicht witzig klingen und für Aussenstehende auch witzig aussehen, doch der Spielspass geht dabei völlig verloren. Wer keine Lust auf Reden hat, kann das Mikrophon auch deaktivieren und dafür einen Knopf bedienen. Wer will kann auch gleich die VR-Brille weglegen, denn sie ist optional: «Stifled» kann man auch einfach auf dem Bildschirm spielen.
Dann allerdings ist selbst das Beste an «Stifled» dahin. Nämlich die wunderbar klingende Idee eines Soundgesteuerten Horrorspiels – «hey hear your fear»!
«Stifled» kostet rund 20 Franken, ist ab 12 Jahren freigegeben und am 31. Oktober 2017 für die Playstation VR erschienen. Der ursprünglich für den Termin für den 13. Dezember 2017 angekündigte PC-Release wurde verschoben.