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Game Review Star Wars ist (zu Recht) das meistgehasste Game des Jahres

Ein Shitstorm tobte, noch bevor «Star Wars: Battlefront II» in den Regalen stand! Der war so gross, dass sich die Macher am Erscheinungstag bei den Fans entschuldigten. Reicht das aus? Und was hat das Spiel ausser einem Skandal eigentlich zu bieten?

Der erste Akt: Wie alles begann

Der Streit um «Star Wars: Battlefront II» eskalierte mit dem Reddit-Post eines enttäuschten Gamers. Darin fragte er die Macher, ob es deren Ernst sei, dass er zu den 60 Dollar, die das Spiel ohnehin koste, auch noch 80 Dollar für das Freischalten der Darth-Vader-Figur ausgeben solle. Man hätte beschwichtigen können oder sich entschuldigen, doch Electronic Arts – die Macher – entschieden sich für folgendes Statement:

Die Absicht ist, den Spielern ein Gefühl des Stolzes und der Vollendung zu vermitteln, wenn sie verschiedene Helden freischalten.
Autor: EACommunityTeam auf Reddit

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Wir besprechen «Star Wars: Battlefront II» am Freitag 1. Dezember auf SRF Virus im Radio.

Man konnte Darth Vader nämlich auch ohne diesen Aufpreis und dafür mit Fleiss freischalten. Damals noch für läppische 40 Stunden Arbeit ─ also einer kompletten Arbeitswoche ─ gab es Darth Vader auch «umsonst». Es klingt schon fast wie Hohn, denn Darth Vader ist nur eine von vielen Figuren, die es nicht «einfach so» in «Star Wars: Battlefront II» zu spielen gibt.

Die Antwort des EACommunity-Teams hat die Gemüter noch mehr erhitzt. Der Post wurde innerhalb von 48 Stunden zum unbeliebtesten Reddit-Post aller Zeiten. Über eine halbe Million Spieler haben mit dem Daumen nach unten ihren Unmut zum Ausdruck gebracht.

Der zweite Akt: Die grosse Entschuldigung

Am Erscheinungstag folgte dann die grosse Überraschung. Electronic Arts zeigte Einsicht und entschuldigte sich via Twitter bei seinen Spielern. Man habe die Sorgen der Spieler wahrgenommen und wolle darum ─ für den Moment ─ alle Käufe innerhalb des Games deaktivieren:

EA schreibt: As we approach the worldwide launch, it's clear that many of you feel there are still challanges in the design. We've heard the concerns about potentially giving players unfair advantages. And we've heard that this is overshadowing an otherwise great game. This was never our intention. Sorry we didn't get this right.
Legende: Die Entschuldigung: Das hat EA am Release-Tag von Battlefront II getweeted. EA via Twitter

Das heisst, dass wir unseren Spiel-Fortschritt und auch alle gesperrten Figuren lediglich erspielen können. Es ist nicht mehr möglich, sie mit barem Geld zu kaufen. Electronic Arts hat zwar die Freischaltezeit der Helden angepasst, allerdings bekommen wir nun auch weniger In-Game-Währung für abgeschlossene Aufgaben. Aktuell dauert es so immer noch rund 10-15 Stunden, um Darth Vader freizuschalten. Damit fängt die Misere allerdings erst an.

Denn man kann für jede Figur zusätzlich drei Sternenkarten einsetzten, welche die jeweilige Heldenfähigkeit bis zu 40 Prozent aufwertet. Diese Karten erhalten wir in den sogenannten Loot-Boxen, über die ebenfalls schon sehr viel gestritten wurde.

Über diese Kisten diskutiert die Welt. Man kann sie sich vorstellen wie Paninibilder. Eine Box voll mit Goodies, von denen man nicht weiss, wie wertvoll sie wirklich sind.
Legende: Loot-Boxen: Vorbesteller bekamen einen Kisten-Boost zum Start. Wer das Spiel «normal» kaufte, hat keine Kisten bekommen. Screenshot SRF Digital

Letztendlich ist «Star Wars: Battlefront II» ein Grind-Spiel, das heisst wir spielen immer und immer wieder die gleichen Schlachten, nur um uns uns mit in-game-Währung einen Vorteil zu erkaufen.

Kein Wunder, sind die Spieler verärgert. Denn letztendlich fühle auch ich mich immer wieder unfair behandelt, wenn ein Spieler mit drei starken Sternenkarten mich vom Spielfeld rasiert und ich mit meinem Level 1 Schild keine Chance habe.

Bei den ganzen Diskussionen über Gewinnmaximierung, Gier und verletzte Gamergefühle geht das Spiel, über das wir hier die ganze Zeit reden, immer wieder unter. Darum: Was bleibt eigentlich übrig, wenn wir den ganzen Shitstorm und das offenbar missratene Loot-Boxen-System ausblenden?

Eine wirklich vielversprechende Kampagne

Electronic Arts hat zumindest einige Wünsche der Spieler erhört und für den zweiten Teil von «Star Wars: Battlefront» eine Single-Kampagne im Spiel eingebaut. «Darauf habe ich gewartet!» denke ich mir und stürze mich voller Euphorie in die erste Mission. Das Star-Wars-Gefühl ist perfekt, angefangen bei der Musik über die Kulisse bis hin zu den Figuren und Fahrzeugen ist alles originalgetreu.

Iden Versio steht vor einem Trümmerfeld. Hinter ihr, ihre beiden Gefährten.
Legende: Iden Versio: Selten habe ich so viel Mimik in einem Videospiel gesehen. Screenshot SRF Digital

Auch die erste Zwischensequenz überrascht mich positiv. Wir lernen Iden Versio kennen, die Hauptfigur, die extra für das Spiel erschaffen wurde. Ohne viele Worte, dafür mit erstaunlich viel Mimik für eine Videospielfigur macht sie klar, dass sie an der dunklen Seite der Macht bis zum bitteren Ende kämpfen wird. Das klingt doch vielversprechend!

Gleich zu Beginn der Kampagne prasselt so viel Action auf mich nieder, dass meine Star Wars Gefühle so in Wallungen geraten, dass sie erst einmal alles andere übertönen.

Doch dann geht es ganz schnell und das vielversprechend anmutende Szenario fällt in sich zusammen. Iden wechselt innert kürzester Zeit von der dunklen auf die helle Seite, ohne irgendeinen ernsthaften Konflikt. Das mag ein Spoiler sein, doch wer der Werbung glaubt und wirklich denkt für die dunkle Seite zu kämpfen, der wird garantiert enttäuscht.

Stormtrooper, so dumm wie Jar Jar Binks

Eine weitere Enttäuschung sind die drei Schwierigkeitsstufen. Auf der einfachsten Stufe sind die Gegner sogar so dumm, dass wir einfach um sie herumlaufen können, ohne dass sie sich nach uns umdrehen.

Hier sind wir in der Alien Bar, die man auch aus den Star Wars Filmen kennt.
Legende: Es Lebe das Star-Wars-Gefühl! Trotz allem freue ich mich über jeden neuen Schauplatz, an den mich die Kampagne bringt. Screenshot SRF Digital

Kurz gesagt, gibt es zwei Sorten von Gegnern: Die, die geradeaus auf uns zurennen, um uns dann mit der Waffe auf den Kopf zu schlagen. Und die, die hinter der ewig gleichen Deckung darauf warten von uns erschossen zu werden. Über dieses Niveau an künstlicher Intelligenz sind wir eigentlich hinweg seit dem Spiel Moorhuhnjagd aus dem Jahr 1999.

Das Gute: Nach 5-7 Stunden kommt die Kampagne zu einem Ende und das ist dann auch so kitschig und plump, dass man regelrecht froh ist es überstanden zu haben.

Naja was solls, es hat ohnehin so gut wie nie eine gute Single Kampagne in einem Shootergame gegeben. Das Herzstück ist und bleibt die Online Multiplayer Schlacht.

Letzte Chance: Der Online-Multiplayer

Online zeigt «Star Wars: Battlefront II» seine Stärken: Die Star-Wars-Kulisse ist auch hier perfekt und es macht einfach grossen Spass, als Teil eines Stormtrooper-Heers durch die Wüstenstadt Mos Eisley zu stürmen.

Fehlercode 327 kenne ich mittlerweile auswendig.
Legende: Serverprobleme: Man arbeite an den Problemen. Wann genau mit Verbesserungen zu rechnen ist, weiss man allerdings nicht. Screenshot, SRF Digital

Insgesamt trumpft Star Wars mit 18 Spielfeldern auf, wovon vier exklusiv der Single Kampagne vorenthalten sind. Zudem kann man aus fünf verschiedenen Multiplayer Modi auswählen. Darunter auch der Modus Sternenjäger-Angriff bei dem wir im All mit Tie Fighern und Millenium Falcen antreten.

Egal ob zu Fuss oder in der Luft, die Schlachten sind mehr als blosses Geballere – Taktik ist gefragt. Wir sind entweder in der Position der Angreifer oder Verteidiger.

Als Rebellen Saboteure klauen wir beispielsweise einen AT-AT-Kampfläufer, um damit eine versteckte imperiale Basis auf Endor anzugreifen. Dafür steht uns nicht nur die Infanterie zur Verfügung, sondern auch ein ganzes Arsenal an Gefährten und Geschossen. Team-Arbeit, Taktik und die volle Ladung Star Wars: So macht auch das neue Battlefront Spass!

Aber auch beim Online-Multiplayer wird unsere Freude ziemlich gedämpft: Es gibt derzeit diverse Serverprobleme, welche von Electronic Arts zwar wahrgenommen, aber noch nicht gefixt wurden. Und von den Loot-Boxen will ich jetzt gar nicht wieder anfangen...

Der Dritte Akt: Die Abrechnung

Die Experten werten das Spiel gleichzeitig mit 67 von möglichen 100 Punkten... besseres Mittelmass sozusagen.
Legende: Horrorwertung für EA 0.8 von 10 möglichen Punkten erhält «Battlefront II» von seinen Spielern. Screenshot SRF Digital/Metacritics

Selbst wenn Electronic Arts am Veröffentlichungstag zurückkrebste: Die Spieler sind (wieder) erzürnt und strafen das Spiel auch in ihren Reviews ab. Gerade einmal 0.8 von möglichen 10 Punkten und etliche Kaufwarnhinweise erhält «Star Wars: Battlefront II» auf Metacritic, einer Webseite für Bewertungen, von seinen Spielern. Weniger geht eigentlich nicht.

Die Fachpresse ist dabei etwas gütiger und lässt das Spiel mit 67 von möglichen 100 Punkten als besseres Mittelmass durchgehen.

Schon im Vorfeld kochten die Emotionen zu «Star Wars: Battlefront II» hoch. Doch auch nach der Veröffentlichung gibt es zu recht grund zur Kritik: Es fühlt sich unfair an und vernichtet viel zu viel Spielspass. Darüber hinweg tröstet lediglich das perfekte Star-Wars-Gefühl. Sowohl soundtechnisch als auch optisch hat man viel Liebe ins Detail ─ böse Zungen würden sagen: viel Geld in Lizenzen ─ gesteckt. Hinter der hochpolierten Fassade verbirgt sich allerdings nicht viel mehr als eine halbherzige Single-Kampagne und ein Multiplayer-Teil, dem wohl schon bald wieder die Spieler davonlaufen werden.

«Star Wars: Battlefront II» ist am 17. November 2017 für PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows erschienen. Es ist ab 16 Jahren freigegeben und kostet rund 70 Franken.

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