Wenn du dich an «For Honor» wagst, solltest du dir bewusst sein, was dich dort erwartet:
- Eine Online-Schlacht, die viel Disziplin abverlangt und jeden kleinen Fehler hart bestraft.
- Ein Spiel, das mit deinen Mitspielern steht und fällt.
- Ein Kampfsystem, das gnadenlos fair und ausgeklügelt ist und einiges an Übung voraussetzt.
- Duelle zwischen Ehrenmännern und -frauen, bei denen dank Taktik und Geschick der Bessere gewinnen wird.
Fühlst du dich angesprochen oder gar herausgefordert? Willst du als Wikinger, Samurai oder Ritter in die Schlacht ziehen und einer der grössten Krieger aller Zeiten werden? Bist du bereit dafür hart zu trainieren? Dann ist «For Honor» genau das Richtige für dich.
Nimm mich so, wie ich bin…
Mit anderen Worten: «For Honor» ist ein Online-Schlachter! Und nichts anderes darf von diesem Spiel erwartet werden. Doch in gerade dieser Disziplin brilliert das Spiel dank «The Art of Battle», wie Ubisoft das neue Kampfsystem nennt. Eine wirklich gut durchdachte und hochgradig faire Art zu kämpfen, die viel Strategie und Taktik zulässt und so für kunstvolle Kämpfe sorgt.
Grundsätzlich gibt es drei Richtungen, in die man schlagen kann beziehungsweise, die es zu verteidigen gilt: oben, links und rechts. Ein guter Krieger kann sich in sein Gegenüber einfühlen und beobachtet, wo er deckt oder schlägt.
Jetzt heisst es Strategie zurechtlegen: Ausweichen? Kontern? Die Deckung aufbrechen? Vielleicht ist die Zeit reif für eine unserer Spezialkombos? Oder geht dem Gegenüber gerade die Puste aus?
Wer sich zu sehr verausgabt, dem geht die Stamina aus – die Figur kann nicht mehr weiter kämpfen. Einfach draufhauen ist daher sicher nicht die beste Taktik, denn bis sich der Stamina-Balken wieder aufgeladen hat, sind wir langsam, schwach und verletzlich.
Auch darum ist es wichtig, die Spezialkombos zu beherrschen. Diese verbrauchen weniger Stamina und sorgen für extra Schaden. Wie in den herkömmlichen Kampfspielen – «Tekken» oder «Street Fighter» – kann jeder Held eine ganze Reihe von Tricks, wenn man die richtigen Tastenkombinationen drückt.
Was mir besonders gut gefällt: Alle Helden verfügen über ganz unterschiedliche Eigenschaften, die es unterschiedlich einzusetzen gilt. In der Kombination entstehen interessante Kämpfe – insbesondere Zweikämpfe – in denen man sich ständig neu auf einen Gegner und dessen Kampftaktik einstellen muss. Dabei ist kein Krieger grundsätzlich im Vorteil und man sieht immer ganz genau was der Gegner macht.
So dass es am Schluss eben darauf ankommt im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen und klug zu kämpfen. Was ein gutes Gefühl von Fairness hinterlässt, denn die Spielregeln sind einfach: Der Bessere gewinnt.
…mit all meinen Macken
Doch dieses Gefühl der Ausgeglichenheit, der Fairness und der nervenaufreibenden Kämpfe ist leider vorbei, sobald man einen anderen Modus als das Duell (1 gegen 1) oder das Handgemenge (2 gegen 2) auswählt.
Im Modus «Herrschaft» oder «Deathmatch» beispielsweise treffen jeweils zwei Viererteams aufeinander. Es gilt, wie in anderen Schiessspielen auch, drei Zonen einzunehmen und diese zu besetzten. Hier fühlt sich das Game unfair an: Ein Krieger, auch wenn er besser kämpft, hat keine Chance gegen zwei bis vier andere Mitspieler.
Auch in der Offline-Kampagne hat Ubisoft viel Potenzial verschenkt. Epische Geschichten hätten erzählt werden können rund um die grössten und tödlichsten Krieger aller Zeiten: Wikinger, Ritter und Samurai. Leider erfahren wir in der Geschichte lediglich, dass wir kriegen um des Krieges willen und das auch noch in lieblosen und schlechten Dialogen, die hinter Helmen stattfinden.
Der Vollständigkeit halber soll auch noch der «Krieg der Fraktionen» erwähnt sein. Eine weitere nicht ganz durchdachte Metaebene, in Form eines 10-wöchigen Events. Dieser Krieg soll entscheiden, ob Wikinger, Samurai oder Ritter die besten Krieger aller Zeiten sind. Darin entscheiden wir uns, ähnlich wie in Pokémon Go, ganz am Anfang für eine Fraktion, für die wir fortan Punkte erspielen, auch wenn wir mit anderen Kriegern kämpfen.
Aber warum?
Doch auch wer dieses Spiel für genau das schätzt, was es ist – ein raffinierter und ausgeklügelter Online-Schlachter – der wird sich schon bald die Haare raufen.
Während die meisten Online-Shooter einen Server zur Verfügung stellen, auf den sich alle Spieler einloggen können, baut «For Honor» auf ein Peer-to-Peer-Modell (P2P). Die Spieler verbinden sich also untereinander. Bereits als das Spiel noch in der Alpha- und Beta-Phase war, sorgte dieses Modell für Probleme. Dies ging sogar so weit, dass die Tester damals eine Petition für einen geeigneten Server ins Leben gerufen haben.
Doch gerade einmal 842 Unterschriften haben offenbar nicht gereicht, um die Entwickler vom Gegenteil zu überzeugen. So hat auch das fertige Spiel wieder P2P, was auf den unterschiedlichen Plattformen für unterschiedlich viel Problemen sorgt. Ubisoft verspricht allerdings, auch nach der Veröffentlichung kontinuierlich an der Stabilisation der Infrastruktur zu arbeiten.
Warum ein P2P Modell wirklich nötig ist, lässt sich nur mutmassen: Ubisoft wollte vielleicht kein Geld für einen teuren Server ausgeben. Als wäre Geiz nicht schon Sünde genug, macht sich Ubisoft auch noch der Habgier schuldig. Denn wer gerne eine schickere Rüstung oder ein besseres Schwert hätte, der kann sich das für echtes Geld dazu kaufen.
Von «Pay to Win» kann man an dieser Stelle allerdings nicht wirklich sprechen. Die Waffen sind gut ausbalanciert, die zusätzlich gekauften verschaffen einem nicht allzu grosse Vorteile. Und was nach wie vor am meisten hilft, ist gut kämpfen zu können – kaum ein anderes Spiel vermittelt diese Botschaft so klar wie «For Honor».
Ein weiteres «Warum?» stellt sich mir beim Online-Multiplayer-Modus. Denn «For Honor» würde sich perfekt dafür eignen, um es gegen die eigenen Freunde auf dem Sofa im Couch-Coop-Couch-Modus zu spielen. So wie wir das aus «Tekken» oder «Street Fighter» auch kennen. Nichts da, gibt es nicht. Hier hat man meiner Meinung nach etwas ausgelassen was dem Spiel einen riesigen Mehrwert gegeben hätte.
Fazit
«For Honor» ist ein raffinierter Online-Schlachter, der gnadenlos mit den Kampffähigkeiten des Spielers ins Gericht geht. Wer sich dieses Spiel kauft, wird viel trainieren müssen, um wirklich mitmischen zu können. Wenn wir aber das Kampfsystem einmal intus haben, ist dieses Spiel an Befriedigung kaum zu überbieten. Möge der Bessere gewinnen: Fairer geht es nicht.
Doch Online-Spiele stehen und fallen mit den Spielern. «For Honor» wird viele davon schon ganz am Anfang vertreiben, weil nur wenige Modi wirklich gut funktionieren, die Spieler genervt sind von den technischen Problemen, oder weil das Kampfsystem richtig unbarmherzig ist.
Andere wiederum werden an den Kämpfen in «For Honor» ihre wahre Freude haben. Bleibt nur zu hoffen, dass die Community auch längerfristig die Plattform belebt. Aber die Zeichen stehen gut: Schon jetzt entsteht eine Art «For Honor»-Ehrencodex unter den Spielern – so wie sich das für ehrenhafte Krieger gehört (siehe Let's Play Video ab Minute 30).
«For Honor» ist seit dem 14. Februar 2017 für PS4, Xbox One und PC via Steam oder Uplay verüfgbar und kostet rund 70 Franken.