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Let’s Play «Nintendo Switch Sports» erfüllt die Pflicht etwas glanzlos

Ja, fuchteln vor dem TV macht noch immer Spass – doch den Hype von 2006 kann dieser Nachfolger nicht wieder aufleben lassen

Damals, vor 15 Jahren, wie haben wir da alle mit Familie und Freunden vor dem TV gefuchtelt! Nintendo veröffentlichte die Wii-Konsole, zusammen mit dem Game «Wii Sports» – und wir packten die weissen Kästchen und taten so, als wären das Tennis-Rackets oder Bowling-Kugeln. Und beim Boxen oder in einem besonders hart umkämpften Grundlinien-Duell flogen auch mal Remotes in Fernseher, Möbel wurden demoliert, Haustiere beeinträchtigt. Der Hype war riesig, Nintendo musste dickere Handgelenk-Schlaufen nachliefern und Sammelklagen aushalten, alle und ihre Grossmutter spielten «Wii Sports».

Und «Wii Sports» war ein Hit für die Geschichtsbücher – mit über 80 Millionen das meistverkaufte Game auf einer einzelnen Plattform. Kein Wunder also, dass Nachfolger kamen – «Wii Sports Resort» war ebenfalls ein Hit, auch wenn es den Hype nicht ganz wiederholen konnte.

Warum erst jetzt?

Es ist deshalb auf den ersten Blick seltsam, dass ein Nachfolger für die aktuelle Nintendo-Konsole Switch erst jetzt erscheint. Das ist so zu erklären: Nach der Wii kam die Wii U, eine Konsole, die für Nintendo-Verhältnisse floppte – und die mit einem Tablet-artigen Kontroller und einem zweiten Bildschirm mit Touchscreen auf ganz andere Bedienmethoden fokussierte als auf Fuchteln mit einem Kästchen.

Die Switch hätte dann zwar die Hardware-Voraussetzungen mitgebracht – auch hier hat man wieder Kästchen in den Händen, die Bewegungen übersetzen können. Doch nach dem Wii-U-Flop auch gleich ein «Sports»-Nachfolger zu bringen, hätte wohl den Eindruck erweckt, dass Nintendo die Ideen ausgegangen waren und man auf die Vorzüge der Wii zurückzugreifen musste – ein Eindruck, den man in der Technologie- und Innovations-getriebenen Game-Industrie tunlichst vermeidet.

Es fuchtelt sich gut

Doch nun ist «Nintendo Switch Sports» da – und es ist ziemlich genau das, was «Wii Sports» war, im hübschen modernen Kleid. Tennis und Bowling sind immer noch die besten Disziplinen, auch das neue Fussball («Rocket League» für Babies) macht Spass. Das ebenfalls neue Badminton hat mit Dropshots taktische Tiefe. Volleyball dagegen mochte ich gar nicht, weil meine Bewegung kaum etwas mit der meiner Spielfigur zu tun hat. Und Schwertkampf, erstmals in «Wii Sports Resort», ist wildes Gefuchtel, für das ich zu alt bin.

Der neue Online-Modus funktioniert gut, auch wenn es mir etwas zu lange dauert, bis das Game passende Gegner gefunden hat. Doch damit fängt die Liste der Mängel erst an:

Online-Zwang

So verstehe ich nicht, warum wir neue Kleider für unsere Spielfigur nur freischalten können, wenn wir online spielen. Denn auch «Nintendo Switch Sports» wird vor allem von Familien vor der gleichen Couch gespielt werden. Der Online-Zwang riecht stark danach, das dazu obligatorische Online-Abo verkaufen zu wollen.

Ausserdem kann man nicht mit einem Freund online gegen Fremde kämpfen – das geht nur, wenn dieser Freund vor der gleichen Couch steht. Nintendo lässt wieder einmal einen Modus aus, der in vielen anderen Games die Regel ist – ohne ersichtlichen Grund.

Zu wenig Disziplinen

Und schliesslich wirkt die Auswahl an Disziplinen etwas knauserig. Immerhin wird Golf später nachgeliefert, wobei auch hier nicht ganz klar ist, warum das jetzt noch nicht bereit stand. Aber nicht einmal alle Disziplinen des Original-«Wii Sports» sind mitgekommen, Boxen und Baseball fehlen. Und es fehlt auch auch fast alles, was in “Wii Sports Resort” dazu kam: Kein Tischtennis oder Basketball, weder Frisbees noch Bogenschiessen. Klar kann man bezweifeln, ob es noch eine dritte Racket-Sportart gebraucht hätte – doch insgesamt ist dieses Menu zu dünn.

Das Game wird trotzdem erfolgreich sein, weil es so intuitiv spielbar und damit leicht zugänglich für Nicht-Gamer ist. Doch ich werde den Eindruck nicht los, dass Nintendo lediglich mit minimalem Aufwand die Pflicht erfüllt.

Radio SRF 3, 11.5.2022, 14:15

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