Nintendo ist unter Druck: Die Vorgänger-Konsole Wii U verkaufte sich unter den Erwartungen, das Konzept war zu kompliziert und nicht vermittelbar. Nach den überraschenden Grosserfolgen Wii und DS tat sich das japanische Traditionsunternehmen schwer, auf die Herausforderungen Online und Smartphones zu reagieren.
Jetzt erscheint die neue Nintendo-Konsole, die Switch. Dieses Konzept ist einfach: Spiele zu Hause und unterwegs, mit einem reibungslosen «Switch» zwischen den Varianten. Nintendo setzt damit alles auf eine Karte: Die Switch muss erfolgreich sein. Und wie immer bei Nintendo machen die Japaner genau nicht, was man ihnen rät («Alles auf Smartphones setzen!», «Endlich direkt Playstation und Xbox angreifen!»). Sondern bringen ein völlig neues Konzept auf den Markt, angesiedelt zwischen Heimkonsolen und Smartphones.
Das ist riskant und deshalb aufregend: Wenn die Wette aufgeht, treffen sie ein Bedürfnis, das niemand sonst abdeckt. Wenn nicht, landen sie zwischen Stuhl und Bank. Wir haben die Switch seit einer Woche – hier ist unser Test.
Das ist gut
- Das Hybrid-System und die Möglichkeiten der neuen Joy-Con-Kontroller sind aufregend. Wir sind gespannt, was Game-Designer damit anstellen. Unterwegs spielen wie mit einem Handheld, zu Hause spielen wie auf einer Konsole, mit den Joy-Con fuchteln wie auf der Wii, den Bildschirm der Konsole auf den Tisch stellen wie eine Mini-Konsole – die Switch ermöglicht sehr viele unterschiedliche Spielsituationen und spricht damit ein ganz unterschiedliches Publikum an.
- Der namengebende Switch funktioniert absolut reibungslos . Entweder stecken wir die Konsole in das Dock, ziehen die Joy-Con ab und spielen dann auf der Couch vor dem Fernseher. Umgekehrt stecken wir die Kontroller an, nehmen die Konsole aus dem Deck und können ohne jede Verzögerung weiterspielen.
- Die Switch ist angenehm leicht . Mit 400 Gramm ist sie zwar schwerer als ein Smartphone oder ältere tragbare Konsolen (Playstation Portable: 293 Gramm, Playstation Vita: 280 Gramm, 3DS: 255 Gramm). Doch sie ist leichter als ein Tablet (ca. 500 Gramm) und das Joypad der Vorgänger-Konsole Wii U (493 Gramm).
- Die verwendeten Materialien , besonders das matte Plastik, sehen gut aus und fühlen sich sehr gut an . Es gibt die Switch in zwei Farbvarianten: Komplett in Grau oder mit Joy-Con in Türkis links und Neonrot rechts. Besonders dieses Rot leuchtet grossartig.
- Der Touchscreen ist im Gegensatz zu 3DS oder dem Joypad der Wii U nun kapazitiv, braucht also nicht mehr Druck. Er reagiert deshalb auf viel feinere Berührungen und ist klar besser.
- Die Switch läuft mit einem Tegra-Chip von Nvidia. Am oberen Rand ist ein Lüftungsschlitz gut sichtbar. Doch gehört habe ich die Switch nie: Selbst unter Vollast am Fernseher ist sie flüsterleise .
- Im Batteriebetrieb unterwegs halte der Akku zwischen 2 ½ und 6 Stunden durch, je nach Spiel. Für eine sehr lange Zuggreise mag das etwas knapp sein – im Alltag ist es mir bis jetzt allerdings noch nie passiert, dass der Storm ausging. Falls doch: Die Konsole ist über einen USB-C-Stecker auch abseits vom Dock aufladbar, mit jedem gängigen USB-Ladegerät oder einem tragbaren Akku.
- Die kleinen Joy-Con sind vollgepackt mit Technologie: Viele Knöpfe, Bewegungssensoren, eine Infrarot-Kamera, ein RFID-Leser für Amiibo-Figuren und HD Rumble. Das ermöglicht sehr subtile Vibrationen und damit vielfältiges haptisches Feedback.
- Am linken Joy-Con ist die Screenshot-Taste , mit der wir überall und jederzeit einen tollen Moment festhalten können. Leider keine Videos.
- Das Menu ist schön schlicht und so aufgeräumt, wie es bei Nintendo noch nie war.
- Das Sounddesign dieses Menus ist grossartig (im Video oben anhören!): Tippen auf den Touchscreen oder scrollen beispielsweise macht jedes Mal leicht andere Geräusche, was schön verspielt wirkt.
- Weil Nintendo nun alles auf eine Karte setzt, arbeitet das ganze Unternehmen an Games, die für dieselbe Plattform bestimmt sind. Die Kreativität verteilt sich also nicht mehr auf eine Heim-Konsole und eine unterwegs, sondern wird gebündelt – das bedeutet, dass wir auf besonders innovative Titel hoffen können.
Das ist schlecht
- Um die Switch im «Tabletop Mode» auf einem Tisch aufzustellen, klappen wir einen Ständer aus. Der wirkt zerbrechlich . Er ist zwar so gebaut, dass er sich aus dem Scharnier löst, bevor er bricht – dennoch habe ich den Eindruck, dass man dem Sorge tragen muss. Ausserdem ist der Winkel , mit dem dann der Bildschirm auf dem Tisch steht, nicht verstellbar. Und damit meistens falsch. Im Tabletop-Modus können wir die Switch nicht laden (was nicht anders geht, siehe Kommentar unten).
- Einen Kopfhörer können wir im Moment nur über Kabel anschliessen. Weil die Switch Bluetooth unterstützt (für die Kontroller), wäre es zwar möglich, in Zukunft kabellose Kopfhörer zu unterstützen. Im Moment geht das aber nicht; schade für die, deren Smartphone sie gerade zum Umsteigen gezwungen hat.
- Für eine mobile Konsole ist die Switch mit 350 Franken eher teuer ; im Vergleich zu anderen Heimkonsolen dafür eher günstig – als die Playstation 4 oder die Xbox One neu auf den Markt kamen, musste man ca. 550 Franken ausgeben. Heute kostet eine Playstation 4 Slim noch etwa 350 Franken. Wenn man zur Switch noch einen Pro Controller und zwei Spiele kauft, kostet dieses Paket dann rund 500 Franken und ist damit weder Kindergeschenk noch Impulskauf.
- Im Basispaket gibt es die Konsole nur ohne Spiel. Das ist ein Fehler – «1-2-Switch» hätte dabei sein müssen . Denn dieses Spiel (separat für ca. 50 Franken erhältlich) erklärt am besten, was mit den neuen Joy-Con alles möglich ist. Nintendo hätte das Erfolgsmodell der Wii «wiiderholen» sollen: Zusammen mit der Konsole gab es «Wii Sports». Also ein Paket kaufen, sofort spielen und sofort das Potential der Konsole begreifen – das war der Grundbaustein des riesigen Erfolgs der Wii. Mit der Switch vergibt Nintendo diese Chance. Das Argument, man habe den Preis unter allen Umständen unter 300 Dollar halten wollen, zieht nicht, weil «1-2-Switch» eine interne Entwicklung ist und deshalb sehr wohl hätte gratis mitgeliefert werden können.
- Der Bildschirm der Switch zeigt Farben schön an und wirkt scharf, doch er spiegelt stark . Draussen bei schönem Wetter ist er ausserdem nicht hell genug. Auch im Schatten sind dunklere Stellen eines Games nicht mehr gut genug sichtbar. Wir spielen also zwar unterwegs, aber nur drinnen.
- Am Fernseher angeschlossen liefert die Switch mit 1080p ein Full-HD-Bild. Abgedockt muss sie aber die Leistung drosseln: Der Bildschirm zeigt unterwegs nur ein 720p-Bild an.
- Natürlich liefert die Switch im Vergleich zu den anderen Heimkonsolen deutlich weniger Leistung . Das darf nicht verwundern, weil die Konsole viel kleiner ist und vor allem auch ab Akku und damit stromsparender laufen muss. Das bedeutet, dass die Switch bezüglich Grafikpower nicht mit der Konkurrenz mithalten kann.
- Switch-Games werden sowohl auf einem grossen Fernseher zu Hause als auch auf dem vergleichsweise kleinen Bildschirm (16 cm diagonal) unterwegs angezeigt. Eine Herausforderung für die User-Interface-Designer : Gerade Schriften sind auf dem TV zu gross oder unterwegs zu klein. Einen guten Kompromiss zu finden ist schwierig.
- Die Knöpfe und Trigger an den Joy-Con kennen nur zwei Zustände : gedrückt oder nicht gedrückt. Die Kontroller der anderen Konsolen haben dagegen stufenlose Trigger und erlauben so feinfühligeren Input.
- Mit nur 32 GB ist der interne Speicher der Switch viel zu klein . Man kann ihn zwar per MicroSD-Karte erweitern. Diese sind allerdings teuer. Ausserdem wird die Speicherverwaltung unnötig komplex (was ist wo gespeichert?). Das zeigt, dass Nintendo nach wie vor auf den Verkauf von Games auf physischen Datenträgern setzt – hier die sogenannte Game Card. Wer lieber Games online kauft und herunterlädt, füllt den internen Speicher möglicherweise schon mit nur einem Game. Nintendo unterschätzt die Bedeutung dieses Verkaufskanals noch immer.
- Damit wir online mit und gegen andere spielen können, werden wir einen Online-Service abonnieren müssen. Was der kostet und was genau im Preis enthalten ist, hat Nintendo noch nicht definitiv gesagt. Doch gemäss bisheriger Informationen scheint der Deal ein schlechter zu sein. Während die Konkurrenz für solche Abos mehrere ältere Spiele pro Monat verschenkt, stellt sich Nintendo vor, ein Game lediglich für einen Monat auszuleihen.
- Wie immer beim Start einer neuen Konsole gibt es noch kaum Games . Persönlich interessieren mich eigentlich nur zwei: «The Legend of Zelda: Breath of the Wild» (unser Review kommt nächste Woche) und «1-2-Switch». Bis zum Weihnachtsgeschäft wird Nintendo allerdings weitere Titel nachgelegen: «Mario Kart 8 Deluxe», «Splatoon 2» und «Super Mario Odyssey» sind die wichtigsten.
Was denn nun? Gut oder schlecht?
Gut! Die Switch verwirklicht erstmals einen alten Traum – das gleiche Game zu Hause und unterwegs spielen zu können. Die vielen Möglichkeiten der Joy-Con-Kontroller (siehe Bildergalerie) werden innovative Spiele ermöglichen. Die technischen Limiten der kleinen Konsole waren zu erwarten und fallen deshalb nicht ins Gewicht. Lediglich der zu kleine Speicher und der möglicherweise unterlegene Online-Service geben Abzug. Trotzdem ist die Nintendo Switch ein beeindruckendes Stück Hardware.
Die Nintendo Switch kostet ab 350 Franken. Zubehör: Pro Controller ab 70.-; ein zweites Set Joy-Con ab 80.-; Charging Grip ab 40.-. Ein gutes Starter-Set bestehend aus Konsole, Pro Controller und zwei Spielen («The Legend of Zelda: Breath of the Wild» und «1-2-Switch») gibt es ab ca. 500 Franken.