Roboter-Sein muss schön sein. Einfach, simpel, geregelt. Null und Eins. Das würde ich gerne mal erleben.
Nun stehe ich als Surveyor-Drohne AG_JVL5Q auf einem Hügel. Die Sonne geht auf, langsam weichen die Schatten, ockerfarbene Steinstelen leuchten wie Mahnfinger im Morgendunst.
Irgendwo dahinter ist mein Ziel, sagt eine blaue Zahl auf dem Bildschirm. Es ist noch weit.
Surveyor-Drohne AG_JVL5Q stapft los, «Klonk, Klonk!», wechseln sich die Metallfüsse schwankend ab. Ich strecke die Arme, drei Finger aus Metall. So ist es also, Roboter zu sein. Ein tolles Gefühl und Geräusch.
Sightseeing: Fotos schiessen
Die Sonne brennt, AG_JVL5Q ist die Hitze egal. Die Vorteile des Roboter-Seins. Ein Schwarm weisser Vögel steigt aus dem Gras hoch. AG_JVL5Q ist allein. Ich mache einen Screenshot.
Die Drohne erreicht die Stelen. Nicht alle sind aus Stein: Überreste eines Raumschiffs stecken wie Dinosaurierrippen im Boden. Verstreut liegen rote Deckplatten herum, AG_JVL5Q «klonkt» durch eine zerbrochene Antriebsdüse. Der Ressourcensensor der Drohne schlägt aus. Sehr gut, das bedeutet: Besserer Schutz, bessere Gewehre, bessere Abwehr. Methodisch sammelt AG_JVL5Q die Einzelteile ein. Das sollte für ein neues Sniper-Gewehr reichen.
Ich mache nochmals einen Screenshot von den Saurier-Rippen.
Das Ziel naht, noch ein paar hundert Meter. Abgesehen von den Vögeln ist alles wie ausgestorben. Steine, Gras, ein paar Büsche. Öde. Mir wird langweilig. Aber schliesslich bin ich ein Roboter, die kennen keine Langeweile oder Monotonie. Ich gebe mir einen Ruck, AG_JVL5Q stapft weiter. Zudem: Wozu muss ich verreisen mit dieser atemberaubenden Landschaft? Wieder ein Screenshot, ein Souvenir.
Tag: Artefaktensuche
Da, Ziel erreicht.
Eine seltsamer Betonbau, der in den Felsen hineingebaut wurde. Ein Bunker?
Drohne AG_JVL5Q aktiviert ihre Ferngläser: Eine dünne Treppe schlängelt sich aussen am Bunker empor und endet auf einer wackeligen Plattform. AG_JVL5Q wechselt die Ansicht: Ein Sensor taucht die Welt in gold-schwarzes Licht und zeigt, welche Elemente darin radioaktiv strahlen. Da, zuoberst auf der Plattform: eine Kugel pulsiert und streckt lange Lichterfinger in alle Richtungen. Ein Signal.
Die Roboterfüsse schwanken das dünne Gestell entlang des Bunkers hoch. Drohnen kennen keine Höhenangst. So weit oben kann ich fast die Brise spüren. Die Drohne wechselt nochmals zur radioaktiven Ansicht: das Artefakt dreht und wendet sich wie von Zauberhand. AG_JVL5Q scannt es langsam ein, die Befehlshaberdrohne meldet sich aus dem Planetenorbit. Vielleicht wissen wir nun mehr, was es mit diesem seltsamen Signal auf Tölva auf sich hat? Doch es ist nur ein Bruchstück, ein weiteres Puzzleteil.
Ein Blick auf die Karte: In der Nähe ist ein Bunker der roten Bandits, einer der beiden rivalisierenden Roboterfraktionen auf diesem Planeten. Den soll AG_JVL5Q einnehmen. Die anderen, die blauen Zealots, hat AG_JVL5Q schon länger nicht mehr angetroffen. Nächstes Ziel also: der Bunker.
Das Licht schwindet, die Steinwände werden zu dunklen Riesen, die die Sterne verdecken. Irrlichter und leuchtende Staubflocken tanzen vor AG_JVL5Qs Sensoren. Ganz weit in der Ferne schimmert ein riesiges Raumschiff knapp über dem Horizont, mit leuchtenden Bullaugen. Ich schiesse wieder ein Erinnerungsfoto.
Nachts: Angriff auf den Bunker
Der Banditenbunker. Drohne AG_JVL5Q scannt aus der Ferne die roten Banditen, markiert sie einzeln. Dann zückt sie ihr Sniper-Gewehr, die Nacht ist ihr Freund: Ein Laserstrahl gräbt sich durch die Dunkelheit, trifft einen Banditen, sein Schild aktiviert sich. Wie auf Kommando drehen sich alle feindlichen Drohnen um, nehmen AG_JVL5Q ins Visier. Mist. Ich habe etliche Banditen übersehen.
Mistmistmist.
Zwei, drei, vier Laserstrahlen fliegen meiner Drohne entgegen, AG_JVL5Q taumelt, die Sicht schwindet. Ade, AG_JVL5Q.
Auf der Karte wähle ich den nächstgelegenen Bunker aus, der zu meinen gelben Drohnen gehört. Ein Klick, und ich bin die Drohne mit «Unique ID» AG-LZGTC. Unique. Ich kaufe ein besseres Sniper-Gewehr und rüste AG-LZGTC damit aus. Ein Klick befördert sie zum nächstgelegenen Sendemast, nahe des roten Banditenbunkers. AG-LZGTC stürzt sich in die nächste Attacke, etwas vorsichtiger. Bald darauf blinkt das Bunkersymbol auf der Karte gelb: Der Standort gehört uns.
Ein spannender Mix
«The Signal From Tölva» ist eigenwillig. Zum einen ist es ein Sightseeing-Simulator: Tölva ist weit, leer und ausgestorben, dafür mit wunderschönen Ansichten. Zum anderen ist es ein klassisches Schiessspiel aus der Ich-Perspektive: Stück für Stück nehmen wir die Karte ein, erobern Bunker, schiessen mit Nah- und Fernwaffen. Die künstliche Intelligenz, die dabei die blauen Zealot- und roten Banditendrohnen steuert, sorgt für Abwechslung. Sie überrascht uns in einem Hinterhalt, mit zufällig spazierenden Patrouillen und Kämpfen zwischen Rot und Blau, bei denen wir als lachende Dritte zusehen.
Dem fünfköpfigen Team von Big Robot aus England gelingt das Unglaubliche: Der Mix funktioniert. Vorausgesetzt, man akzeptiert die Monotonie, die ja einer Drohne nichts ausmachen sollte. «The Signal From Tölva» packte mich auch, weil seine Macher ihre limitierten Ressourcen in einen Vorteil wandelten. Das verdeutlichen auch die Erklärungen von Projektleiter Jim Rossignol : Keine prozedural generierte, sondern von Hand erstellte und gezeichnete Karte, gleiche Waffen für Freund und Feind, der Transfer in einen neuen Drohnenkörper nach dem Tod.
Dass mich das Game letztlich begeistert hat, ist auch dem Schotten Ian McQue zu verdanken – der Industrieveteran war unter anderem bei allen «Grand Theft Auto»-Titeln für die Konzeptkunst und das Design verantwortlich. Seine Landschaften zieren jetzt meinen Desktop-Hintergrund, ein Souvenir meines Besuchs auf Tölva.
«The Signal From Tölva» läuft auf Windows.