Übungstreffen auf dem Hof der Familie Bachmann im Emmental: Drei Frauen und acht Männer, Mitglieder der emmenthalischen Alphornbläser-Vereinigung, treffen sich zur Probe.
Walter Bachmann ist in dritter Generation Alphornbauer. Sein Grossvater hatte mit dem Handwerk angefangen, Sohn und Enkel haben es weitergeführt. Heute gilt die Alphornmacherei Bachmann als die älteste der Schweiz.
Alphorn taucht ab
Während der Probe regnet es in Strömen. Das kurze Dach des Unterstandes bedeckt knapp die Köpfe der Bläserinnen und Bläser. Ihre Alphörner jedoch ragen weit hinaus in den strömenden Regen, das Wasser läuft in die offenen Instrumente.
Kein Grund zur Sorge, klärt Alphornbauer Bachmann auf. Das Wasser sei gut für die Resonanz. «Ich empfehle jedem Alphornbläser, mit dem Instrument in den See zu stehen und den Becher auf’s Wasser zu legen. Das gibt irrsinnige Töne!»
Werkstatt in den Hügeln
Walter Bachmanns Betrieb liegt in einer harmonischen Voralpenlandschaft. Die neun Hektar Land reichen für rund zehn Kühe. Der Bauernhof wird durch die Alphornbauerei ergänzt.
Das war schon immer so, erklärt Walter Bachmann. Die Bauern hier hätten wenig Geld gehabt. Aber viel Geschick, um das, was sie benötigten, selber herzustellen.
Liebe auf den ersten Blick
Wie etwa sein Grossvater Ernst Schüpbach. Dieser sah 1925 an einer «Chilbi» in Eggiwil zum ersten Mal ein Alphorn und verliebte sich auf Anhieb in das Instrument.
«Es waren schwierige Zeiten und die Eltern meines Grossvaters waren arm. Sie konnten es sich nicht leisten, dem Buben ein Alphorn zu kaufen.» Im Übermut habe der Grossvater beschlossen, selber ein Alphorn zu bauen. So entstand die Alphornmacherei.
Alphorn für zwei Franken
Der Junge war damals dreizehn Jahre alt. Als das Instrument fertig war, verkaufte er es für zwei Franken an einen Schulkollegen, der ihm als Gegenleistung das Alphornblasen beibrachte.
Von seinem ersten Geld kaufte sich Grossvater Ernst Schüpbach Werkzeuge, um weitere Alphörner zu schnitzen. Das tat er im alten Bauernhaus. Zum Leidwesen anderer Familienmitglieder: «Grossvater hatte oft Krach mit dem ‹Weibervolk›, weil er nach dem Schnitzen immer eine Sauordnung hinterliess.»
Himalaya anstatt Alpen
Nicht in den Alpen, sondern in Tibet wurde das Alphorn erfunden, sagt Enkel Walter Bachmann. In der Schweiz erwähnten Mönche das Instrument erstmals im 16. Jahrhundert in Klosterchroniken. Bauern hätten das Alphorn unter anderem genutzt, um Kühe anzulocken.
In Eggiwil donnert und blitzt es weiter. Doch die Männer und Frauen kümmert das nicht, hochkonzentriert stehen sie nebeneinander, die Augen geschlossen – vertieft in ihre Töne.
Alphorn als Seelenbalsam
Dass Frauen in solchen Formationen mitspielen, ist eine eher neue Erscheinung. Die Bläserinnen beschreiben das Instrument als Seelenbalsam. «Wenn ich gestresst bin und ein ‹Gnusch› im Kopf habe, dann kann ich Alphorn blasen und es ist weg.»
Die Männer können sich ein Leben ohne Alphorn ebenfalls nicht vorstellen. Es sei wie ein Virus. Das Alphorn gehöre einfach dazu: zur Familie, zum Leben, zu den Bergen und zum Emmental.