Zum Inhalt springen

10 Jahre Instagram Instagram gaukelt auf Hochglanz polierte Scheinwelten vor

Der perfekte Schmollmund, Sandstrand oder Snack: Das gibt Likes auf Instagram. Eine Milliarde Fans hat die Plattform, auf dem alles perfekt aussieht. Tut uns das gut?

Zwei Studienabgänger basteln 2010 in Kalifornien an einem Fotoservice. Die Programmierer erkennen: Die Menschen wollen Bilder, die sie mit einem Smartphone aufgenommen haben, unkompliziert mit ihren Freunden teilen. Also entwickeln sie die App Instagram.

Lieber Bild als Text

Im Namen Instagram klingen das Telegramm an und die Sofortbildkameras. Das Prinzip: Fotos aufnehmen und in Echtzeit mit anderen teilen.

Die Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich erforscht soziale Medien. Sie kommt zum Schluss: «Instagram ist ein sehr oberflächliches soziales Medium, bei welchem sehr stark die Emotionalität der Bilder im Vordergrund steht und der Text, sofern es überhaupt einen gibt, in den Hintergrund rückt.»

Die Jagd nach Likes

Die Bilder und Videos machen den Erfolg von Instagram aus. Zwei Jahre nach der Gründung hat der Online-Dienst bereits 100 Millionen Nutzer. Facebook übernimmt Instagram und bezahlt dafür eine Milliarde US-Dollar.

Instagram, von Investoren angeschoben, wird fortan durch Werbung finanziert. Heute werden täglich etwa 100 Millionen Beiträge hochgeladen.

Soziologin Katja Rost steht der bunten Insta-Bilderwelt skeptisch gegenüber: «Aufmerksamkeitsökonomie und das Haschen nach Likes spielt hier eine grosse Rolle. Und wie macht man das mit Bildern? Da muss man oberflächlich sein und etwa einen Popo ins Bild rein rücken oder eben den perfekt geschminkten Mund. Ansonsten kriegt man keine Likes.»

Sich online perfekt inszenieren

Instagram habe einen Personenkult, einen Körperkult, einen Make-up-Kult geschaffen, sagt Katja Rost. Was auffällt: Egal ob Ferienfotos, Lifestyle-Bilder oder Selfies, alle sind auf Hochglanz getrimmt und zeigen geschönte Welten.

«Instagram spielt uns eine Realität vor, die es nicht gibt», so Katja Rost. «Bei den nachbearbeiteten Bildern sieht man nicht, wie viel Mühe und wie wenig Lebensfreude dahintersteckt. Das Bild suggeriert eine Idealwelt, die so nicht existiert.»

Zu schön, um wahr zu sein

Die Soziologin Katja Rost beobachtet, wie soziale Medien zu Echokammern des menschlichen Egos werden. Seit Jahren studiert sie die gesellschaftlichen Auswirkungen der sozialen Medien und sagt insbesondere zu Instagram: «Es ist eine ungesunde Tendenz, in dem diese Oberflächlichkeit sehr stark ansteigt.»

Rost beobachtet das bei ihren Studierenden. «Seminare zum Thema Schönheitsvorbilder boomen. Ich glaube junge Leute leiden unter diesen Idealvorstellungen – dass sie eben nicht aussehen wie Kim Kardashian. Aber Kardashian sieht eben auch nicht so aus.»

Viele User fühlen sich auf Instagram aber nicht mehr wohl. Sie wandern auf andere Plattformen ab, wie Katja Rost beobachtet: «Junge Leute nutzen solche Medien viel seltener.»

Einige hätten etwa Apps installiert, die das Handy auf schwarz-weiss schalten, um weniger attraktiv zu sein. «Viele Plattformen, gerade Facebook, sind unter jungen Leuten total out und auch Instagram ist nicht eine Plattform für die sehr jungen Leute. Die haben schon wieder andere Plattformen, auf denen sie aktiv sind», erklärt Katja Rost.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 06.10.2020, 07:06 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel