Seit gut 100 Tagen ist Michael Kinzer Direktor der Pro Helvetia – und somit der oberste Kulturförderer des Landes. Im Interview mit SRF spricht er über seinen Start bei der Schweizer Kulturstiftung.
SRF: Sie waren Theaterdirektor in La Chaux-de-Fonds und Festivalorganisator in Lausanne. Dort haben Sie zuletzt als Leiter der Kulturabteilung drei neue Musikclubs eröffnet und ein neues Museumsquartier mitgeprägt. Bedeutet ein Wechsel zu Pro Helvetia nun auch ein Wechsel zu mehr Bürokratie?
Michael Kinzer: Eigentlich sind wir bei der Pro Helvetia am Puls der Kulturszene. Es ist für uns wichtig, die Bedürfnisse der Szene zu verstehen, denn 87 Prozent unserer Bundesgelder fliessen direkt in die Kulturszene. Wir sind eigentlich eher schlank aufgestellt. Klar braucht es auch ein bisschen Bürokratie, um jedes Jahr 7000 Gesuche mit Chancengleichheit, Ethik und Transparenz zu verarbeiten.
Die Pro Helvetia hat jedes Jahr gut 47 Millionen Franken zur Verfügung. Was bekommen die Steuerzahlenden für dieses Geld?
Das ist die Frage nach der Rolle von Kultur. Kultur ist enorm wichtig. Es sind 15 Millionen Eintritte in den Museen. Meiner Einschätzung nach kommen ähnlich viele Eintritte für Konzerte, Theaterproduktionen und sonstige Bühnenproduktionen hinzu.
Wir sind sehr selektiv. Unsere Zusagen-Quote ist aktuell unter 36 Prozent.
Was die Förderung von Pro Helvetia betrifft: Es geht darum, neue offene Türen für das Schweizer Kunstschaffen zu finden, damit es das Ausland erkunden und die Eigenwirtschaft stärken kann. Wir arbeiten für die Schweizer Kulturszene und wollen sie ermächtigen.
Und wie verhindert man, etwas zu fördern, was niemand braucht?
Das lässt sich zum Teil nicht vermeiden. Selbstverständlich haben wir als subsidiäre Bundesrolle auch mit Projekten zu tun, die bereits einen Bekanntheitsgrad aufweisen, mit Künstlerinnen und Künstlern, die ein grosses Potenzial haben. Sonst wären sie teils gar nicht wählbar für unsere Fördermassnahmen. Wir sind sehr selektiv. Unsere Zusagen-Quote liegt aktuell unter 36 Prozent.
Ich sehe tagtäglich die Motivation, sich im Dienste der Kultur einzusetzen. Das ist für mich das Wichtigste.
Natürlich wollen wir auch Projekte fördern, die das Potenzial haben, die nationalen und vor allem internationalen Karrieren der Künstlerinnen und Künstler zu ermöglichen. Aber es kann vorkommen, dass ein Projekt – geprägt vom Kulturaustausch und mit viel Potenzial – beim Publikum nicht ankommt.
Sie haben die Pro Helvetia in einem schwierigen Moment übernommen. Ihr Vorgänger wurde zum Rücktritt gedrängt, nachdem er seine Lebenspartnerin in eine wichtige Position befördert hat. Die Stimmung war schlecht. Wie gehen Sie mit diesem schwierigen Erbe um?
Ich kann mich über die Vergangenheit nicht äussern, da ich sie nicht miterlebt habe. Als ich die Stelle angetreten habe, habe ich gleich gemerkt: Wir arbeiten mit 120 engagierten, motivierten und kompetenten Leuten bei Pro Helvetia. Ich sehe tagtäglich die Motivation, sich im Dienste der Kultur einzusetzen. Das ist für mich das Wichtigste.
Ihre Amtszeit als Pro Helvetia-Direktor ist begrenzt, auf maximal zehn Jahre. Welche Schlagzeile möchten Sie am Ende über diese Amtszeit lesen?
Dass die Schweizer Kulturstiftung immer noch eine Referenzinstitution für die Schweizer Kulturförderung ist. Dass das Parlament und der Bund überzeugt sind, dass sie immer noch ein sehr wichtiger Teil der Bundeskulturpolitik ist. Ich glaube, dann haben wir über eine halbe Generation bewiesen, wie wichtig diese Stiftung für die Schweizer Kulturszene ist.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.