Rosa Bloch-Bollag muss früh erfahren, dass Wohlstand nicht selbstverständlich ist. Sie stammt zwar aus dem Grossbürgertum, wächst in einer gut situierten jüdischen Kaufmannsfamilie auf, die aber plötzlich verarmt. Ihr Jusstudium muss sie wegen Geldnot abbrechen und arbeitet bei einem Juwelier.
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, macht sich bei den Arbeiterinnen Elend und Hunger breit. Rosa Bloch-Bollag organisiert Protestaktionen auf den Wochenmärkten. Zusammen mit anderen Frauen fordert sie die Bauern und Gemüsehändler auf, die überteuerten Preise zu senken.
Dem Gegenwind zum Trotz
Die Proteste waren militant, gar handgreiflich, erklärt Historikerin Annette Frei Berthoud: «Die Arbeiterinnen gingen auf Wochenmärkte und leerten den Bauern die Kartoffelsäcke aus, weil sie wirklich Hunger litten. Man kann sich vorstellen, dass das bürgerliche Zürich vehement reagierte. Die Arbeiterinnen lösten einen ziemlichen Wirbel aus.»
Gegenwind und Anfeindungen gehören zu Rosa Blochs Leben. Angetrieben von ihrem Sinn für Gerechtigkeit, organisiert sie Proteste gegen Mietwucher und Preistreiberei. Sie schreibt für die Arbeiterinnen-Zeitschrift «Die Vorkämpferin» und führt ihre Kämpfe auf der Strasse aus.
Rosa Bloch sei die geborene Anführerin, eine begnadete Organisatorin gewesen, erzählt die Historikerin: «Sie war überall an vorderster Front, eine geborene Agitatorin und Anführerin der sozialistischen Frauenbewegung».
Die erste Frau im Kantonsrat Zürich
Im Juni 1918 führt sie die sogenannte Hungerdemonstration an: Knapp 1000 Frauen ziehen zum Zürcher Rathaus. «Von dieser Demonstration gibt es sogar Filmaufnahmen. Da sieht man die Arbeiterinnen mit Plakaten, auf denen steht ‹Wir hungern, unsere Kinder hungern›. Dieser Protest zeigte, wie gross das Elend war, das diese Frauen auf die Strasse trieb.»
Die Arbeiterinnen fordern Preissenkungen, staatliche Kontrolle der Lebensmittel und eine Anhörung durch das Kantonsparlament. Letztere wird eine Woche später zähneknirschend gewährt. Rosa Bloch gehört zu den drei Frauen, die zum ersten Mal überhaupt im Kantonsrat Zürich sprechen. Sie hält dort eine flammende Rede.
Sie wirkt als einzige Frau im sogenannten Oltner Aktionskomitee mit, das 1918 den Generalstreik vorbereitet. Dass im Forderungskatalog des Komitees an zweiter Stelle die Forderung für ein aktives und passives Frauenwahlrecht stand, ist vermutlich ihr zu verdanken.
Rosa Bloch war eine Ausnahmeerscheinung, so die Historikerin Annette Frei Berthoud. Zusammen mit anderen Frauen kämpfte Rosa Bloch stets für ihre Sache. Sie klopfte nicht an Türen, sondern trat diese ein.