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Zwei Panzer auf einem alten Schwarz-Weiss-Bild.
Legende: Filmstill aus dem Propagandafilm «Der Schlag hat gesessen!» Oberstleutnant Wiechmann Karl-Ernst Schmidt

1989 – die Wende DDR-Kurzfilme zeigen: Das nahende Ende lag in der Luft

Sechs Personen warten vergeblich auf einen Anschlusszug. Mit ihnen träumt der Zuschauer von Andreas Dresens Film «Zug in die Ferne» aus dem Jahr 1989 von der Ferne. Die Winterthurer Kurzfilmtage zeigen mit dem Programm «Grenzzeit – Die Mauer und ihr Fall» einen filmischen Blick auf das Ende der DDR.

1961 waren die Verhältnisse noch klar: «Der Schlag hat gesessen!», so der Titel des Propagandafilms zum Bau der Mauer. Als Autor des knapp achtminütigen Werks war Oberstleutnant Wiechmann. Aus heutiger Sicht amüsiert der Ton des Kommentars, wenn er zum Beispiel heroisch den «Bonner Ultras» im Westen den Tarif durchgibt. Damals war das aber für die Menschen in der DDR bitterer Ernst.

Sie waren fortan in der Ideologie des antifaschistischen Bollwerks eingespannt – ob sie wollten oder nicht. Dieses Eingeschlossensein hinter der Mauer hat die Filme, die in der DDR entstanden, geprägt, sagt der deutsche Filmpublizist Claus Löser. Er hat das Programm «Grenzzeit – Die Mauer und ihr Fall» für die Winterthurer Kurzfilmtage zusammengestellt. «Die Utopie der Freiheit musste damals in den Filmen noch eine Utopie bleiben, denn jeder wusste, ich komm hier nicht raus», so Löser, der selbst in Sachsen aufgewachsen ist.

Meister im Dechiffrieren

Winterthurer Kurzfilmtage

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Die Winterthurer Kurzfilmtage finden vom 4.11. bis zum 9.11. statt. Das Programm «Grenzzeit – Die Mauer und ihr Fall» läuft am Sonntag um 17.00 Uhr. Programm

DDR-Filme lebten von Anspielungen. Das Publikum war äusserst gut geschult darin, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Zensur griff früh im Herstellungsprozess: Sobald ein Drehbuch entwickelt war, sassen schon die Zensoren dran. So wurden in der DDR kaum Filme verboten. Was kritisch war, oder zumindest unangenehm hätte werden können, wurde im Vorfeld verhindert.

Eine gewisse Narrenfreiheit gab es aber in der letzten Phase der DDR an der Ostberliner Filmschule Potsdam Babelsberg. Hier entstand im Oktober 1989 – einen Monat vor der Wende – der Film «Zug in die Ferne» eines gewissen Andreas Dresen. Der Anfang einer grossen Karriere des heute etablierten Regisseurs.

Vom Fernweh zur Reisefreiheit

Auf einem trostlosen Provinzbahnhof warten sechs Personen auf den verspäteten Anschlusszug. Dabei klingt der Traum von einer Reise nach Paris an. Ein kleines Kammerspiel zur Situation in der DDR mit überdeutlichen Anklängen von Fernweh.

Niemand konnte jedoch zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass das Ende der DDR dermassen rasch nahen würde. Auch der Filmpublizist Claus Löser nicht.

Heute bemerkt er ein wachsendes Interesse an der DDR und den Filmen aus jener Zeit vor der Wende: «Es ist ein historisches Kapitel, das vermeintlich zu ist. Als Aussenstehender erhält man so die Chance zu verstehen, wie das innerhalb eines geschlossenen Mikrokosmos funktioniert hat.»

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