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1989 – die Wende Droht der Welt ein neuer Eiserner Vorhang?

Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, waren sich westliche Polit-Experten einig: Künftig wird Demokratie unsere Weltordnung bestimmen. Doch der Ton zwischen Russland und dem Westen ist wieder schärfer geworden. Die Rhetorik erinnert dabei an Zeiten des Kalten Krieges.

25 Jahre ist es her, als der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama seinen Essay «The End of History?» veröffentlichte. Die darin enthaltene These war simpel: Der Kalte Krieg ist vorbei, der Westen und damit die liberale Demokratie haben gewonnen – mit diesem Triumph seien keine anderen geopolitischen oder ideologischen Herausforderungen in Sicht. Nur wenige Wochen nach der Publikation von Fukuyamas Essay, am 9. November 1989, fiel die Mauer.

Die westliche Idee als neue Weltordnung

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George Bush ruft am 11. September 1991 die «neue Weltordnung» aus
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Nach der Verbreitung seiner Thesen galt Fukuyama für viele als Prophet. Er wurde als Polit-Star gefeiert, ein Fernsehauftritt folgte dem anderen. Sein Essay «The End of History?» ging innert kürzester Zeit um die Welt. Und sorgte für Furore: Zeitungsredaktoren, Politiker und Politologen griffen seine kühne Idee auf – und diskutierten sie. Heute würde man sagen, der Artikel ging «viral».

Als strategischer Berater der US-Regierung traf Fukuyama auch im Weissen Haus ins Schwarze: Der damalige Präsident Geoge Bush griff die Ideen auf. Am 11. September 1991 rief er mit glänzenden Augen die «neue Weltordnung» aus – es sei lediglich eine Frage der Zeit, bis der Rest der Welt auf diesen Kurs einschwenken würde.

Die Welt entwickelte sich anders als vorausgesagt

Längst hat Fukuyama der Politik den Rücken gekehrt, lehrt als Professor im kalifornischen Stanford. Noch immer muss er bei jedem öffentlichen Auftritt zu seinen Thesen Stellung nehmen. Und natürlich weiss auch er, dass sich Russland, China und andere Staaten anders entwickelt haben als er vorausgesagt hatte.

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Fukuyama: «Der Kommunismus war unser grösser Rivale»
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Falsch gelegen sei er aber 1989 nicht, meint Fukuyama heute. Er glaubt noch immer an die Konkurrenzlosigkeit der westlichen Idee: «Nur in der Demokratie, im modernen Westen, funktioniert die Rechtsstaatlichkeit. Das wissen auch die Chefs der autokratisch geführten Länder: Sie fälschen Abstimmungen und Wahlen, weil sie genau wissen, dass eigentlich nur die Demokratie ihre Macht legitimieren würde.»

Heute spricht man von «politischer Rezession»

Heute sprechen Politikwissenschaftler von einer «politischen Rezession». Denn ausgerechnet 25 Jahre nach dem Mauerfall ist der Ton zwischen Russland und dem Westen schärfer geworden und erinnert an die Rhetorik des Kalten Krieges. Die jüngsten Ereignisse in der Ost-Ukraine und auf der Krim oder in Hong Kong zeigen, dass rohe Gewalt und robuste Machtanwendung wieder zur Regel werden könnten. Wird erneut ein Eiserner Vorhang unsere Zukunft bestimmen?

In der Politik zählt nicht immer das bessere Argument

«Machtpolitik hat nie aufgehört zu existieren. Lange meinte man, in der Politik würde nur noch das bessere Argument zählen. Doch das stimmt nicht», so Francis Cheneval, Professor für Politische Philosophie an der Universität Zürich.

Gerade am Beispiel von Russlands Aussenpolitik könne man beobachten, wie Geopolitik wieder zur Tagespolitik werde. Doch während die Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges noch andere Ziele verfolgte – eine universelle, revolutionäre Idee – kämpft das heutige Russland einzig für seine Machtentfaltung.

Dazu komme, so Cheneval, dass Russland heute wirtschaftlich nicht mehr autonom ist. Genau darin liege der Vorteil: Während im Kalten Krieg noch eine unglaubliche atomare Abschreckung nötig war, um die Gegenseite einzuschüchtern, genügt heute das Einfrieren von Bankkonten. Wer wirtschaftlich aufeinander angewiesen ist, der sieht im Krieg einen Nachteil. «Man darf hoffen, dass dadurch beide Seiten noch zur Raison kommen.» Und eine Eskalation so verhindert werden kann.

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