Ihr Wecker klingelt um 4.30 Uhr. Gina Dellagiacoma ist Moderatorin der dreistündigen Morgenshow «3Wach». Zusammen mit Moderationskollege Visu Suter steht sie im Studio – gerade liest sie das Wetter: «S’ Wetter esch eigentlech langwelig för das, dass echs jetzt no muess verzelle.»
Langweiliges Wetter, motiviertes Moderatorenduo: Dellagiacoma und Suter sind Studenten, gleichzeitig arbeiten sie mit Leidenschaft fürs Radio 3Fach .
Hier hätten sie alle Freiheiten, sagt Gina Dellagiacoma. Zum Beispiel bei der Kultursendung «Sprechstunde»: «Kultur ist schliesslich alles – und so darf ich bei der Themenwahl nach dem Lustprinzip entscheiden.»
Nicht krampfhaft jung sein wollen
Als das 3Fach am 17. Oktober 1998 auf Sendung geht, ist es das erste offizielle Jugendradio Europas. Ein ganzer Sender, bei dem nur Leute unter 25 Jahren arbeiten, offiziell konzessioniert vom Bund.
«Noch heute werden die Sendungen ausschliesslich von unter 25-jährigen gemacht», sagt Visu Suter. «Wir versuchen also nicht krampfhaft, jung zu sein. Wir sind jung.»
Der Sender lebt von den Ideen der Mitarbeitenden. Und von der Idee bis zur Realisierung geht es schnell, zum Beispiel bei neuen Rubriken. Es gibt keinen langen Umweg über ausufernde Konzepte und Arbeitsgruppen.
Die Macherinnen und Macher dürfen sich austoben – und Haltung zeigen: Gerade berichtet Gina Dellagioacoma über die Vereidigung des Supreme-Court-Richters Brett Kavanaugh: «D USA het e neue Grüsel in d Politikspitze vom Land glüpft. Vo Frauemissbruch, töple und grüsle zum oberschte Richter. Das nenn ech emol e nice Karriere. Es isch würklech zum hüüle!»
Stossrichtung? «Kick Ass»!
Gina Dellagiacoma sagt, es sei ihr wichtig, sich zu positionieren und auch pointiert zu äussern – solange klar sei, dass es sich dabei um ihre persönliche Meinung handle und nicht um die des Senders. Denn: Eine offizielle politische Ausrichtung hat das 3Fach nicht, eine Stossrichtung schon.
3Fach will anders sein – bei der Musik, bei den Themen. «Kick Ass», wie sie es selber nennen. Und sie wollen den Gründungsgeist bewahren. «Die Wurzen hat 3Fach in einem Radioschulprojekt des Gymi Alpenquai», erklärt Gina Dellagiacoma. «Die Frequenz wurde von kreativen Köpfen gekapert, so dass während den Sendepausen ein Guerilla-Radio lief.»
Heute ist das 3Fach ein professionelles Radio, bei dem ungefähr 35 Leute arbeiten. Sie bekommen einen kleinen Lohn. Ausbildungskurse in Radio- und Journalistenhandwerk sind Recht und Pflicht. Das 3Fach ist etabliert.
Professionalität auf Kosten der Originalität?
Läuft es nicht Gefahr, seine Originalität aufs Spiel zu setzen? Samuel Konrad von der Geschäftsleitung meint: «Der Grad an Professionalisierung hat massiv zugenommen, und ja, manchmal bleibt dann der Guerilla-Spirit etwas auf der Strecke.» Dies sei allerdings ein bewusster Entscheid gewesen: «Wir wollen ernst genommen werden.»
Ein bisschen weniger Hauruck also, aber noch immer mit dem Anspruch die Lücke zu füllen. Die Lücke «zwischen Scheiss und Kommerz», wie es beim Radio 3Fach selbstbewusst heisst.