- Der Deutsche Erfinder Karl von Drais erfand die Draisine, ein Laufrad aus Holz.
- Laut Überlieferung sei Drais schneller als eine Kutsche damit gefahren: 14 km pro Stunde.
- «Einstein»-Moderator Tobias Müller hat den Test gewagt – doch auf das Tempo 14 km/h kam der Sportler nicht. Fazit: Drais' Tempo muss ein Mythos sein.
So schön wäre sie, die Geschichte der Erfindung des Fahrrades: Ein Adliger entdeckt 1817 das Prinzip des Zweirades und fährt den Kutschern mit seiner Laufmaschine um die Ohren. Und nebenbei begründet er eine neue Fahrzeugart, die bis heute die Menschheit bewegt.
Zweifel am Erfolg der Draisine
Doch es gibt mehrere Hinweise, dass sich diese Geschichte nicht ganz so glorios abgespielt hat. «Einstein»-Moderator Tobias Müller wollte die Jungfernfahrt des Velos nachstellen – und ist dabei ganz gewaltig gescheitert.
Gemäss Überlieferung fuhr der deutsche Erfinder Karl von Drais mit seiner Laufmaschine eine 14 Kilometer lange Strecke. Dazu brauchte er nur eine Stunde, heisst es. Schneller als die Kutschen.
Mehr Pferdefleisch dank Velo
Das Volk jubelte. Denn wegen eines Vulkanausbruchs herrschte in Europa Hungersnot. Pferde mussten zur Fleischproduktion geschlachtet werden oder verhungerten. Und ohne Pferde konnten auch keine Kutschen fahren.
In diesem Moment kam die nach Drais benannte Draisine: Ein Laufrad aus Holz, das kein Futter brauchte und den Menschen schneller als die Kutsche von A nach B brachte.
Tobias Müller gibt nach 4 Kilometern auf
Doch bei seinem Experiment schafft Tobias Müller nie und nimmer das überlieferte Tempo von 14 km/h. Er ist zuerst knapp halb so schnell, wird aber nach dem ersten Kilometer immer langsamer. Nach 4 Kilometern und einer Fahrzeit von 46 Minuten muss er abbrechen. Zu viele Schmerzen, zu ausgebrannt ist der trainierte Sportler, der selber auch Rad fährt.
Die Draisine ist wacklig, holpert, lässt sich kaum steuern. Sie ist kein Original, sondern ein Nachbau aus dem Sportmuseum Schweiz. Womöglich war Drais‘ Laufrad etwas stabiler. Klar ist: Die Lenkung am Originalrad war besser konstruiert und hatte bereits einen sogenannten Nachlauf, wie er heutige Velos stabilisiert. Der fehlt dem Nachbau.
Trotzdem: Die Beinarbeit ist derart anstrengend, dass Müller hochgerechnet auf die 14 Kilometer 918 Kilokalorien verbrennt. Zum Vergleich fährt er die 14 Kilometer mit einem modernen Mountainbike und verbraucht nur 278 Kilokalorien. Pikant: Selbst marschierend würde er weniger Kalorien verbrennen.
Das «Dandy Horse» als modisches Accessoire
Karl von Drais belieferte zwar einige Adlige mit seiner Laufmaschine. Und andere bauten das Rad nach. In England hiess die Draisine «Dandy Horse» oder «Hobby Horse». Ein ernst zu nehmendes Verkehrsmittel wurde das Laufrad nicht. Es blieb Spielzeug für die Adligen.
Und wie es Spielzeuge so an sich haben, war es bald nicht mehr angesagt. Speziell wenn sie nicht halten, was sie versprechen. Die Draisine geriet in Vergessenheit. Heute sind kaum Originale erhalten. Ebenfalls ein Hinweis auf die geringe Verbreitung.
Mit der Fahrradkette nahm das Velo Fahrt auf
1865 erfanden ein Franzose und ein Amerikaner wohl parallel die Kurbeln mit Pedalen. Erstmals wurde aus dem Laufrad nun wirklich ein Fahrrad. Die Kurbeln waren noch fix mit dem Vorderrad verbunden. So bestimmte die Grösse des Vorderrades das Fahrtempo.
Um schneller zu werden, musste das Rad wachsen. Das Hochrad war geboren. Das verbreitete sich rasant, es gab erste Rennen, erste Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern. Als 1890 die Kette erfunden wurde, schrumpfte das Vorderrad wieder auf normale Grösse.
Das Fahrrad, wie wir es heute noch kennen, war geboren. Als im selben Jahr auch die Luftreifen das Fahrrad eroberten, war der Siegeszug des Velos nicht mehr zu bremsen.
Das Velo wurde erst vor 160 Jahren populär
Das Fahrrad wurde erst vor rund 160 Jahren mit der Erfindung der Pedale populär. Den Durchbruch als Verkehrsmittel für die Massen schaffte es erst vor etwas mehr als 100 Jahren dank Luftreifen und Übersetzung.
Trotzdem hat Karl von Drais das Hauptprinzip des Velos entdeckt. Nämlich, dass sich das Fahrrad unter anderem durch die Kreiselkräfte der Laufräder selber stabilisiert und entgegen den Erwartungen nicht einfach zur Seite fällt beim Fahren.
Der Physik hinter dem Zweirad war sich Drais allerdings noch nicht bewusst. Seine Überlegung dahinter: Wenn ein Schlittschuh-Läufer auf Kufen gleiten kann, dann sollte das auch auf zwei hintereinander angeordneten Rädern gehen.
Sendung: Einstein, SRF1, 8.6.2017, 22:25 Uhr.