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Bild 1 von 11. «Ein bisschen Chaos und alles kommt in Ordnung» steht auf dem Schild. Dieser Teil des Busbahnhofs wird nicht mehr von Reisenden, sondern nur noch als Parkhalle genutzt. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 2 von 11. Auf der ebenerdigen vierten Etage ist am meisten los. Soldaten sind besonders viele gegen Wochenende zu sehen. Das beginnt in Israel am Donnerstagnachmittag und ist die Hauptreisezeit. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 3 von 11. Mit Briefkästen, Läden, Bankomaten, einer Post und Sitzbänken funktioniert das Innere des Busbahnhofs wie eine Stadt in der Stadt. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 4 von 11. Auffallend: die Berge von Klebebändern. Die Migrantenfamilien aus Vietnam und den Philippinen kaufen diese, um ihren Familien daheim Pakete zu schicken. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 5 von 11. In einer Ladenzeile des Busbahnhofs gibt es viele Spezialitäten aus Asien. Hier kaufen die vielen Arbeitsmigranten ein, die in Tel Aviv etwa in der Altenpflege schuften. Bildquelle: srf/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 6 von 11. Die Informationstafel führt in die Irre: Die zweite Etage ist nämlich schon seit acht Jahren geschlossen. Und auch sonst stimmt kaum noch etwas auf der Tafel, die hier einfach vergessen wurde. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 7 von 11. Eine der verlassenen Ladenstrassen im Busbahnhof Tel Aviv. Da die einzelnen Läden alle in Privatbesitz sind, ist es rechtlich kaum machbar, den Komplex komplett zu sanieren, umzubauen oder abzureissen. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 8 von 11. Hier wurde einst auf die Abfahrt gewartet. Nach links und rechts führen lange Gänge zum jeweiligen Bus. Was unglaublich unpraktisch war und darum nicht mehr so genutzt wird. Einzig Soldatengruppen müssen von hier noch hin und wieder abfahren. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 9 von 11. Das Fledermaus-Naturreservat ganze zwölf Meter unter der Erde im ersten, untersten Stockwerk. Hier sind auch die Bunkerräume mit den nie eingebauten Luftfiltern für einen atomaren Ernstfall. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 10 von 11. Das Jiddisch-Museum bewahrt 40‘000 Bände jiddischer Literatur. Hier finden auch Konzerte und Lesungen statt. Man muss den versteckten Ort nur finden. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
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Bild 11 von 11. Der geschwungene Aufgang von der geschlossenen zweiten Ebene zur dritten Ebene ist ein besonders attraktives Sujet für Kunstfotographen, die den Busbahnhof Tel Aviv bereits für sich entdeckt haben. Bildquelle: SRF/Franziska Hirsbrunner.
- Der Busbahnhof in Tel Aviv, der zweitgrösste weltweit, ist ein riesiges «Labyrinth», das grösstenteils leer steht.
- Der Bahnhof wird vor allem von Migranten als Wohnort genutzt. Aber auch Kunst und Kultur entstehen an diesem verlassenen Ort.
- Der Busbahnhof von Tel Aviv wurde vom israelischen Stararchitekten Ram Karmi entworfen. Der Bau wurde 1967 begonnen und erst 1993 abgeschlossen.
Ein riesiger Bunker, ein Betonklotz, der zentrale Busbahnhof im Süden Tel Avivs: Mit 230‘000 Kubikmetern ist er ein Stadtteil für sich und ziemlich heruntergekommen. Viele der über 100 Ladengeschäfte stehen leer. Ein Stockwerk mit ehemals sechs Kinos ist ganz geschlossen und modert vor sich hin.
Wer jemals hier hinein musste, wird Probleme gehabt haben, den richtigen Bus zu finden – oder auch einfach wieder einen Ausgang. Tatsächlich verlaufen sich täglich viele Reisende in den verwirrenden Gängen und kaum merklich in einander übergehenden Ebenen. 29 Rolltreppen und 13 Fahrstühle sind da nicht sonderlich hilfreich.
Lebensraum für Migranten
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Trotzdem wurde dieses Labyrinth zum Lebensraum für viele, die sich das überteuerte Tel Aviv ansonsten nicht leisten könnten: afrikanische Flüchtlinge etwa oder philippinische Migrantenfamilien.
Sie «bewohnen» hier ganze Strassenzüge: In einem ehemaligen Shop feiern sie sogar christlichen Gottesdienst, und auf den «Plätzen» geniessen ihre Kinder Tanzunterricht.
In den Lebensmittelläden der Philippinos kann man Früchte und Spezialitäten kaufen, die es sonst nirgends gibt in Tel Aviv. Die Türme von Klebebändern, die es vor jedem Laden gibt, kaufen die Migranten selbst. Damit kleben sie die Pakte für ihre Familien in der Heimat zu.
Theater, Kunstgalerie und ein Jiddisch-Museum
Auch für Kunst und Kultur hat es hier Platz: Ein Off-Scene-Theater hält sich seit über zehn Jahren wacker. In einer Kunstgalerie stellen nicht nur Newcomer aus.
Gänsehaut kann bekommen, wer aus all dem Lärm plötzlich in das verwunschene Jiddisch-Museum findet. Schliesst sich die Tür, tritt plötzlich Stille ein. Und nach ein paar Schritten öffnet sich eine unförmige Halle, wo sich 40‘000 Bände jiddischer Literatur stapeln.
Die Katakomben des Busbahnhofs bergen so die Erinnerung an eine fast ausgestorbene Kultur, die in Israel ansonsten wenig wertgeschätzt wird. Den jiddischen Mikrokosmos hütet der Schauspieler und Sänger Mendy Cahan.
Naturreservat für Fledermäuse
Im untersten Stock haben sich, neben nie genutzten Bunkerräumen und nie eingebauten, mannshohen Luftfiltern, seltene Fledermäuse eingenistet. Sie stehen unter Naturschutz. Und so ist dieser unwirtlichste aller Orte Tel Avivs doch tatsächlich auch ein Naturreservat.
Man soll sich verlieren
Der Busbahnhof sei vom israelischen Stararchitekt Ram Karmi bewusst als Labyrinth geplant worden, damit sich die Leute sprichwörtlich beim Shopping und Entertainment verlieren.
Das sagt der Tel Aviver Künstler Jonathan Mishal, der sich hier auskennt wie kein anderer. Er führt Gäste leidenschaftlich und stundenlang durch diesen Komplex.
Kein Eintrag ins Architekten-Reinheft
Architekt Ram Karmi schämte sich für seinen Busbahnhof Tel Aviv offenbar derart, dass er ihn nicht in seine Retrospektive aufnahm. Der Bau stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Er zerschneidet das bereits bebaute Quartier darum herum auf unorganische Weise und liegt zudem weit ab vom Zentrum der Metropole.
Der Bau wurde 1967 begonnen, aber erst 1993 abgeschlossen. Da erwies sich die ganze Anlage bereits als vollkommen überdimensioniert. Denn anstelle der prognostizierten 1 Million Reisender täglich kamen höchstens 100‘000. Seit die schöne neue Eisenbahn Tel Aviv mit Haifa und Beer Sheva verbindet, nimmt kaum noch jemand den langsamen Bus.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Passage, 28.08.2017, 20:00 Uhr.