Christoph Trummer hat sich bewusst für ein einfaches Leben entschieden: Er lebt in einem alten, dunklen und sehr kleinen Häuschen in Frutigen. Oft verbringt er seine Tage allein im Wald.
Seit bald 40 Jahren lebt er so. Dieser Lebensweg habe in Indien begonnen, sagt er. Dort habe er für ein paar Monate auf der Strasse gelebt, nachdem ihm alles gestohlen worden war. Er ernährte sich vom Komposthaufen eines Markts.
Philosophie der Armut
Von Menschen auf der Strasse habe er gelernt, wie man trotz – oder vielleicht gerade wegen – der Einfachheit glücklich sein könne. Trummer bezeichnet sich selbst als spirituell.
Aus dieser Anschauung schöpft sich seine Philosophie der Armut: Christoph Trummer glaubt, dass man keinen Überfluss brauche, wenn man sich einmal auf die Reise ins eigene Innere begeben und sich selbst und das Göttliche in sich gefunden habe. In der Einfachheit sei man Gott am nächsten.
Der Boom hinter der Selbstfindung
Christoph Trummers Lebensstil ist für unsere Verhältnisse aussergewöhnlich. Trotzdem seien seine Ideen nicht überraschend, sagt Religionshistoriker Helmut Zander von der Universität Freiburg.
Solche «Aussteiger:innen» habe es schon immer gegeben. In der Religionsgeschichte könne man zwei Traditionen festmachen: Die eine Tradition suche nach dem Göttlichen ausserhalb. In einem Tempel, im Himmel, in der Kirche.
Die andere Tradition jedoch suche das Göttliche in sich selbst. Insbesondere im letzten Jahrhundert habe die zweite Tradition einen regelrechten Boom erlebt, so Zander. Es seien viele neue Bewegungen entstanden, die auf diese innere Erfahrung pochen.
Abseits der Gesellschaft, trotzdem von ihr abhängig
Bei neuen religiösen oder spirituellen Bewegungen könne man oft beobachten, dass eine solche «Reise zu sich selbst» mit Gesellschaftskritik zusammenhängt, meint der Religionshistoriker. «Menschen, die sich auf die innere Erfahrung konzentrieren, sind in der Regel ausgesprochen sensibel für gesellschaftliche Probleme», sagt Zander.
Wenn sich eine Gesellschaft in eine Richtung entwickle, gebe es immer Menschen, die nicht mitmachen möchten und sich für einen alternativen Lebensentwurf entscheiden. Gleichzeitig seien solche Menschen aber von der Gesellschaft abhängig, auch wenn sie dies nicht wollen. Denn um so leben zu können, brauche es eine Gesellschaft, die solche Menschen ernähren könne.
«Menschen, die in einer Überflussgesellschaft leben, haben die Chance sich auf sich selbst zu konzentrieren», sagt Helmut Zander. Überflussgesellschaft meine hier eine Gesellschaft, die nicht mehr ihre ganze Energie für den Lebensunterhalt aufwenden müsste. Diese «Chance» hätten in den letzten 100 Jahren viele genutzt.
Gesellschaftskritik auf kleinem Fuss
Christoph Trummer möchte komplett unabhängig sein: von anderen Menschen, aber auch vom Staat. Trotzdem ist er auch von der Gesellschaft abhängig: So ist er zum Beispiel darauf angewiesen, dass jemand für Handwerksarbeiten bezahlen kann. Denn damit hat er sich früher seinen Lebensunterhalt verdient.
Trotzdem ist sein Leben klar von Gesellschaftskritik geprägt. In einer Welt, die verstärkt kapitalistisch funktioniert, möchte er ein anderes Lebensmodell vorleben. Er betont deshalb auch, dass er nicht so lebe um Menschen zu meiden, im Gegenteil: Er liebe alle Lebewesen und lebe auf kleinem Fuss, weil er von niemandem etwas wegnehmen möchte.