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Junge Menschen rufen Slogans, ägyptische Flagge in der Hand.
Legende: 25.1.13: Proteste in Kairo gegen Präsident Mohamed Mursi. Reuters /Amr Abdallah Dalsh

Ägyptische Revolution Jugend ist nicht destruktiv

Junge Gesellschaften leben gefährlich: Ist ein überproportional grosser Teil der Bevölkerung unter 25 Jahre alt, gilt dies gemeinhin als schwer kontrollierbares Konfliktrisiko. Zu Unrecht. Die ägyptische Revolution widerspricht dieser These. Ein Jugendüberhang muss nicht a priori destruktiv sein.

Der arabische Frühling - von den ersten Protesten im Maghreb bis zur Revolution in Ägypten - wurde von mehrheitlich jungen Menschen initiiert und getragen. Entgegen der gängigen wissenschaftlichen These verhielten sich die Demonstrierenden überwiegend gewaltfrei.

Neue Erkenntnis

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Das hat die Sicht von Forschung und Politik auf den Zusammenhang von Jugend und Konflikt verändert, sagt Silvia Popp von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: «Gerade seit dem letzten Jahr folgert man daraus, dass die Masse der Jugendlichen, beziehungsweise ihr Anteil an der Bevölkerung, sich eben nicht mehr ausschliesslich als Risiko darstellt, sondern dass die Forderungen nach Teilhabe, die die Jugendlichen stellen, als berechtigt empfunden werden.»

Der arabische Frühling als Ausdruck des kreativen Potentials junger Gesellschaften ... Das widerspricht der in sicherheitspolitischen Debatten gepflegten These, wonach ein direkter Zusammenhang besteht zwischen einer überproportional grossen Jugendbevölkerung und dem Risiko für gewaltsame Konflikte.

Jugendüberhang allein bedeutet keine Gefahr

Junge Männer schieben einen Abfallcontainer durch die Strassen Alexandrias.
Legende: Alexandria, 25.1.13: Die ägyptische Jugend ist auch fit für den Strassenkampf. Reuters / Asmaa Waguih

So einfach sei die Gleichung nicht, sagt Silvia Popp. Sie hat die Ergebnisse der Forschung bis zurück ins Jahr 1990 analysiert und festgestellt: Ein Jugendüberhang stellt für sich allein noch keine Gefahr dar. Die Jungen werden nur unter bestimmten Bedingungen zum Konfliktrisiko:

Hauptproblem Arbeitslosigkeit

Problem Nummer eins ist die Jugendarbeitslosigkeit. Diese birgt zusätzlichen Zündstoff, wenn Jugendliche realisieren müssen, dass sie nicht dieselben Chancen haben wie noch die Generation ihrer Eltern. Wenn in Staaten wie Tunesien, Libyen oder Ägypten die Jugendlichen extrem viel stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als die Erwachsenen, wachsen Generationenkonflikte. Erwachsene und Jugendliche stehen in Konkurrenz zueinander.

Die Arbeitslosigkeit wirkt sich auch auf andere Lebensbereiche aus: Ohne Arbeit haben die jungen Leute weder das Geld, um eine Wohnung zu mieten, noch um eine Familie zu gründen. Sie fühlen sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Da nützt den Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch nichts, dass sie meist besser ausgebildet sind als ihre Eltern. Denn bessere Bildung ist nicht gleichbedeutend mit besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Doch solche Fehlentwicklungen sind nicht Natur gegeben, sondern politisch beeinflussbar - sagt Silvia Popp von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin - zum Beispiel mit einem besseren Bildungssystem.

Erfüllbare Forderungen

Die Jugendlichen, die im Rahmen der arabischen Revolution auf die Strasse gingen und gehen - stellen also nicht nur wünschbare, sondern auch erfüllbare Forderungen. Das sehen mittlerweile auch viele internationale Entscheidungsträger so. Bei zahlreichen Regierungen und internationalen Organisationen wie der Weltbank oder der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) steht das Thema «Jugendarbeitslosigkeit» weit oben auf der Traktandenliste.

Der Jugendüberhang ist zwar ein Stressfaktor für eine Gesellschaft. Doch muss diese junge Bevölkerung nicht zwangsläufig zu gewaltsamen Konflikten führen. Selbst wenn alle Umstände, etwa hohe Arbeitslosigkeit und Generationenkonflikte, dafür sprechen. Nicht zuletzt das haben die Jugendlichen des arabischen Frühlings der Welt gezeigt.

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