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Ägyptische Revolution Karima Mansour, Choreografin

Zwei Jahre nach Ausbruch der ägyptischen Revolution ist Karima Mansour aktiver denn je: Die Tänzerin und Choreografin setzt sich offensiv für eine liberale Kulturpolitik ein und hat ein Zentrum für zeitgenössischen Tanz aufgebaut. Revolution ist für Karima ein täglicher Kampf.

Als das Volk in Kairo auf die Strasse ging, um den Diktator zu stürzen, arbeitete Karima Mansour an einer neuen Choreografie in Bern. Sofort brach sie die Proben ab und eilte nach Kairo.

Karima Mansour

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Sieben Jahre lang konnte die Tänzerin und Choreografin Karima Mansour aufgrund der staatlichen Kulturpolitik in ihrer Heimat nicht auftreten. Seit der Revolution ist das anders. Karima Mansour leitet nun das Cairo Contemporary Dance Center Maat in Kairo. Ein Hoffnungsschimmer für eine kulturelle Öffnung.

Ein Jahr nach der Revolution erinnerte sie sich an die ersten Tage: «Einfach nur durch die Strassen zu gehen, in den ersten Tagen der Revolution, fühlte sich komplett anders an. Einfach nur die Art zu gehen, mein Körper war viel präsenter. Das kann man mit Worten kaum ausdrücken. Diese Veränderung im Bewusstsein – zu sagen: Nein! Ich gehöre hierher, das ist mein Ort, er gehört mir. Und ich habe Rechte, denn das ist mein Land.»

Frostige Stimmung auf dem Tahrir-Platz

Noch ein Jahr später treffen wir sie wieder. Es ist Dezember geworden, und die Revolution wird bald zwei Jahre alt. Wieder der Tahrir-Platz, doch die Stimmung ist deutlich frostiger, ernster. Von der Euphorie der ersten Monate ist wenig übrig geblieben, die Fronten sind verhärtet.

Der neu gewählte Präsident und seine Partei der Muslimbrüder bestimmen den Takt der Veränderung, und die marschiert in eine Richtung, die vielen liberalen Revolutionären nicht gefällt. Jetzt stehen sich die Revolutionäre – vor zwei Jahren vereint im Kampf gegen Mubarak – feindlich gegenüber. Auf dem Tahrir-Platz patroulieren junge Leute in weissen T-Shirts und passen auf, dass sexuelle Übergriffe sofort verhindert werden. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Karimas Blick ist ernst, doch ihre Augen glühen, sie ist wütend und sagt: «Sie benutzen sexuelle Gewalt als Waffe, um junge Frauen einzuschüchtern. Frauen sollen am besten zu Hause bleiben, und nicht demonstrieren, sonst laufen sie Gefahr…» Sie verstummt, aber ihre Geste sagt alles.

Eine, die sich dem Schwarz-Weiss-Denken verweigert

Ein Jahr lang haben wir (der ägyptische Regisseur Ahmed Abdel Mohsen und ich) Karima Mansour für unseren Film «Laila, Hala und Karima – Ein Jahr im revolutionären Kairo» begleitet und ihre sanfte Beharrlichkeit bewundert. Und auch jetzt, in frostigeren Zeiten, verweigert sie jegliches Schwarz-Weiss-Denken.

«Was jetzt geschieht, war vorhersehbar», meint Karima Mansour im Interview mit Filmemacherin Sandra Gysi. Karima beschreibt die Probleme, die sich auftun: Etwa den Mangel an Bildung, der viele Menschen zu leichter Beute für diejenigen macht, die den Islam für ihre politischen Ziele missbrauchen.

Was hat Karima nicht alles getan in diesem Jahr: Unzählige Demonstrationen, Treffen der Coalition of Independant Artists, die sich massiv für Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst und eine liberale Kulturpolitik einsetzt und auf öffentlichen Plätzen die ersten freien Kunst- und Kulturfestivals organisiert.

Der tägliche Kampf um kleine Veränderungen

Sendung zum Thema

Ausserdem hat sich Karima auf das schwierige Unterfangen eingelassen, gemeinsam mit dem ägyptischen Kulturministerium, das sie einst als Künstlerin verbannte, ein Zentrum für zeitgenössischen Tanz aufzubauen: das Cairo Contemporary Dance Center. Gegen grosse Widerstände einer Bürokratie, die um ihre unter Mubarak erworbenen Privilegien bangt.

Revolution ist ein täglicher Kampf um kleine Veränderungen. Karima stellt sich dieser Schlacht. Ihre eigenen künstlerischen Projekte vertagt sie auf später. Sie pendelt zwischen Kunst und Politik und verbindet beides: Karima ist überzeugt davon, dass Kunst und Kultur verändern kann.

Und dennoch, auch die unerschütterliche Optimistin Karima Mansour kennt Bedenken. Als im Dezember 2012 vor dem Präsidentenpalast Muslimbrüder auf liberale Demonstranten einprügelten, da war Karima Mansour bestürzt: «Es war surreal. Das Volk gegen das Volk, nicht wie früher, das Volk gegen Mubarak, oder gegen die Militärs.»

Da war nichts mehr zu spüren, von der Einheit der ersten 18 Tage im Januar 2011. Da war nun das Volk gespalten. Aber Karima ist sich gewiss, die Islamisten verlieren an Zustimmung, sie werden ihre Versprechen nicht halten, und die Leute werden erkennen, dass es um Macht geht, und nicht um Religion.

Der Dokumentarfilm von 2012

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