Die Initiantinnen hinter der Aktion «Helvetia predigt!» haben eine Vision: Am kommenden Sonntag, 1. August, sollen ausschliesslich Frauen die Sonntagspredigt halten. Die Idee, inspiriert durch das schweizweite «Frauenrütli» (siehe Box), hat sich aus der ökumenischen Gruppe des Kirchenfrauenstreiks heraus entwickelt. Sie richtet sich an alle reformierten, christkatholischen und katholischen Pfarreien gleichermassen.
Wenig Kirchenfrauen in Leitungspositionen
Die Schwierigkeit dabei: In den Kirchen im Land ist dies nicht überall so einfach machbar. Zwar gibt es schweizweit etwa gleichviele studierte Theologinnen wie Theologen. In den reformierten, christkatholischen und meisten freikirchlichen Gemeinden werden sie ordiniert, geweiht und in den Predigtdienst gestellt. Bei den Leitungsämtern aber bleibt die Luft für Kirchenfrauen dünn.
Darum unterstützt auch die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS die Aktion «Helvetia predigt!». Präsidentin Rita Famos hofft zudem, dass die Aktion bald nicht mehr nötig sein wird: «Es soll selbstverständlich werden, dass Kirche auf allen Ebenen von Frauen und Männern gemeinsam gelebt und verantwortet wird.»
Ausgeschlossen aufgrund des Geschlechts
Zwar gibt es auch bei den reformierten Kirchen noch viel zu tun, um sie frauenfreundlicher zu machen. Das Engagement von Christkatholikinnen und Reformierten für die Aktion «Helvetia predigt!» ist aber auch ein Zeichen der Solidarität mit ihren römisch-katholischen Kolleginnen.
In römisch-katholischen Messen dürfen Frauen laut Kirchenrecht gar keine Predigt zur Eucharistie halten. In der Schweiz tun sie dies freilich trotzdem. Das sei normal, postuliert auch Theologin Veronika Jehle auf der Homepage des Frauenbunds SKF.
Ein Skandal sei vielmehr, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen würden: «Frauen sind strukturell diskriminiert und nicht gleichberechtigt», sagt Jehle. «Wer Augen hat, der sehe!»
Keine predigenden Katholikinnen im Tessin
Peinlich berührt zeigt sich bei der Aktion «Helvetia predigt!» das Bistum Lugano: Es habe sich überaus freundlich bei den Initiantinnen zurückgemeldet – aber leider keine predigenden Frauen vorzuweisen.
Zwar arbeiten Frauen überall mit, und an der Universität lehrt eine promovierte Theologin. Dass sie keine Theologinnen angestellt haben, liege auch an der Finanznot des Bistums. Lugano könne sich kaum Priester leisten. Und die sind ebenso prioritär wie männlich.
TV-Gottesdienst mit zwei Bischöfen
Drum ist es ein Spiegel kirchlicher Realität, dass der 1.-August-Gottesdienst auch am Fernsehen RSI / SRF von Männern zelebriert wird. Bischof Valerio Lazzeri und sein Vorgänger, der emeritierte Bischof Piergiacomo Grampa, stehen der Messe vor.
Eine Frau kriegt das SRF-Fernsehpublikum aber im «Wort zum Sonntag» zu sehen: Die schweizweit bekannte Bündner Pfarrerin Cornelia Camichel Bromeis spricht Samstagabend das «Pled sin Via» .
Ein symbolträchtiger Amtsantritt
Camichel Bromeis wird just am 1. August ihre Antrittspredigt in St. Peter in Zürich halten. Die ehemalige Dekanin der Bündner Kirche wird die erste gewählte Pfarrerin an der traditionsreichen Stadtkirche sein. Hier wurden 1918 die europaweit ersten reformierten Pfarrerinnen ordiniert. Trotzdem blieb der Weg für Frauen ins vollgültige Pfarramt steinig.
Die gestandene Pfarrerin und dreifache Mutter Camichel Bromeis ist sich darum voll bewusst, welche Symbolkraft ihr Amtsantritt hat – erst recht an diesem speziellen Helvetia-Tag.