Aktivistin Sarah Vecera - Die Frau, die der evangelischen Kirche ihren Rassismus aufzeigt
«Rassismus ist Sünde», sagen viele Kirchen. Doch die weisse Perspektive dominiere weiterhin. Die Theologin und Aktivistin Sarah Vecera pikst die Kirche dort, wo es wehtut.
«Wie ist Jesus weiss geworden?» prangt poppig-pink auf dem Cover von Sarah Veceras Buch. Im Untertitel heisst es: «Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus».
Im Frühjahr brachte die Theologin und Aktivistin ihr Buch über Rassismus in der Evangelischen Kirche heraus. Seither fährt sie für Lesungen quer durch Deutschland, gibt Interviews, gleist Projekte auf. Die Zeit schien reif für das Thema – spätestens seit der «Black Lives Matter»-Bewegung.
«Wie ist Jesus weiss geworden»
Box aufklappenBox zuklappen
In ihrem Buch «Wie ist Jesus weiss geworden?» bringt Sarah Vecera ihre eigene Biografie mit der Rassismusforschung zusammen. Sie fragt nach der Rolle der Kirchen im aktuellen Rassismusdiskurs und lässt andere People of Color zu Wort kommen.
Darstellungen eines weissen Jesus sieht sie als «Spitze des Eisbergs»: «Dass wir als Kirche es geschafft haben, sogar Jesus weiss zu machen, zeigt, dass wir ein eurozentrisches Problem haben», so Vecera. Die Forschung gehe davon aus, dass Jesus in etwa aussah wie die meisten Menschen im heutigen Irak. Der weisse Jesus sei entstanden, um Macht zu zementieren: «Im Mittelalter sah der weisse Jesus weniger jüdisch aus. In der Kolonialzeit ähnelte er den Unterdrückern.» In der Nazizeit sei er gar blond und blauäugig dargestellt worden. Der weisse Jesus trage eine «absichtsvolle Machtdimension» in sich.
Seit wenigen Jahrzehnten rütteln postkoloniale Theologien langsam an der weissen europäischen Theologie, die lange Zeit als «die» Theologie wahrgenommen wurde. Der weisse Jesus kann als deren Symbol gelesen werden.
Sarah Vecera: «Wie ist Jesus weiss geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus». Patmos, 2022.
Es soll die Kirche piksen
Damals habe Veceras realisiert, dass die Kirche auf ihren Websites zwar schreibe «Rassismus ist Sünde», aber sonst nichts ändere und «weiter ihre weisse Perspektive» lebe. «Nee Leute, jetzt reicht's!» war Veceras Schlussfolgerung.
Vecera wurde lauter, unbequemer. Sie weiss, dass sie den Finger in eine Wunde legt. Deshalb heisst ihr Podcast auch «Stachel und Herz». Es soll schon pieksen. Aber eben – mit Herz.
«Ich übe Binnenkritik», sagt die Theologin, die in einer kirchlichen Organisation arbeitet und als Laienpredigerin auch Gottesdienste hält. Die Evangelische Kirche ist ihr Zuhause. Sarah Vecera wünscht sich, dass sich auch andere People of Color dort zu Hause fühlen können.
Wie tausend Mückenstiche
Solange es kaum People of Color in repräsentativen Funktionen gibt, sei das schwierig. Unbedachte Äusserungen, eine unsensible Sprache, Stereotype: All das verletzte.
«In der Rassismusforschung nennt man das Mikroaggressionen», sagt Vecera. «Sie sind wie Mückenstiche. Ein paar machen dir nichts, aber wenn der ganze Körper damit übersät ist, dann schmerzt es.»
Wenn Vecera in ihrem kirchlichen Umfeld jemanden darauf anspreche, dass seine oder ihre Aussage auf einem Rassenkonstrukt beruhe und deshalb rassistisch sei, ernte sie Empörung: «Wie kannst du so etwas sagen? Wir meinen es doch nur gut!»
Sarah Vecera: Christin und Aktivistin
Box aufklappenBox zuklappen
Sarah Vecera (38) ist eine der wenigen People of Color in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie postet und podcastet über Rassismus in der Kirche. Hauptberuflich ist sie bei der
Vereinten Evangelischen Mission
, wo sie sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einsetzt und unter anderem Trainings durchführt.
Auf Instagram hat sie das wöchentliche Format
«black and breakfast»
entwickelt. Vier People of Color sprechen über Rassismus in der Kirche.
Sie ist die erste Aktivistin, die das Thema in eine breitere Öffentlichkeit bringt. Aufgewachsen ist sie in Oberhausen im Ruhrgebiet bei ihren weissen Grosseltern. Ihre Mutter war Deutsche, der Vater kam ursprünglich aus Pakistan.
Rassismus sei vor allem ein strukturelles Problem, das alle betreffe. Die Denkstrukturen seien über Jahrhunderte gewachsen, sagt Sarah Vecera, die inzwischen selbst Anti-Rassismus-Trainerin ist.
Diese Denkstrukturen führten zu Zuschreibungen: «Schwarze Menschen haben so und so zu sein.» Sie selbst erlebe immer wieder, dass sie aufgrund ihres Äusseren zu «der Anderen» gemacht werde – obwohl sie im Ruhrgebiet deutsch und kirchlich sozialisiert wurde.
«Person of Color» statt «Migrationshintergrund»
Deshalb habe auch der Begriff «Migrationshintergrund» nie so recht zu ihr gepasst. «Da war nicht viel, was ich aus einer anderen Kultur hätte einbringen können.» Wie eine Befreiung sei es gewesen, andere «People of Color» kennenzulernen – eine Begrifflichkeit, die für sie stimmig ist.
Ein besonderes Augenmerk legt Sarah Vecera auf Beziehungen in der weltweiten Ökumene, der Gemeinschaft von Christen und Christinnen aus aller Welt. In der Geschichte hätten sich die Rollen derart verfestigt, dass es auf der einen Seite die «reichen weissen Helfenden» gäbe, auf der anderen die «bedürftigen Geschwister aus dem Süden».
Dieses Narrativ müsse immer wieder aufgebrochen werden. Es gehe nicht darum, zu helfen und die Welt zu retten, sondern Macht und Teilhabe für alle gerecht zu verteilen.
Eine Kirche für alle Menschen in der Schweiz?
Box aufklappenBox zuklappen
Scotty Williams (39) ist reformierter Pfarrer. Er kommt ursprünglich aus Louisiana (USA) und lebt seit 12 Jahren in der Schweiz, derzeit in St. Gallen. Rassismus ist ihm in der Schweiz sowohl offen begegnet als auch implizit. Seine Botschaft an die Kirche ist: «Arbeitet an einem besseren Narrativ für schwarze Menschen. Lasst euch empowern von Menschen of Color. Und projiziert keine Stereotype auf sie.»
Williams selbst wird immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen ihn gern als den «Gospel-Pfarrer» sähen. Doch der ist er gar nicht. Stattdessen liebt er Buxtehude, trinkt gern Tee und kennt sich blendend in (Kirchen-)Geschichte aus. Deshalb macht er auch Stadtführungen über die Reformation in der Schweiz.
In der Reformation sieht Williams die Wurzeln für heutigen Rassismus in den Evangelisch-reformierten Kirchen. Diese seien damals, vor gut 500 Jahren nämlich explizit für die Bedürfnisse der Schweizerinnen und Schweizer gegründet worden. Historisch ist das verständlich, es war eine andere Zeit und die Bevölkerung war fast ausschliesslich weiss.
Doch nun brauche es einen Paradigmenwechsel im Selbstverständnis, so Williams: Von «Wir sind die Kirche der Schweizerinnen und Schweizer» hin zu «Wir sind eine Kirche für alle Menschen in der Schweiz».
Die maximale Anzahl an Codes für die angegebene Nummer ist erreicht. Es können keine weiteren Codes erstellt werden.
Mobilnummer ändern
An diese Nummer senden wir Ihnen einen Aktivierungscode.
Diese Mobilnummer wird bereits verwendet
E-Mail bestätigen
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Sie können sich nun im Artikel mit Ihrem neuen Passwort anmelden.
Ein neues Passwort erstellen
Wir haben den Code zum Passwort neusetzen nicht erkannt. Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse erneut ein, damit wir Ihnen einen neuen Link zuschicken können.
Ihr Account wurde deaktiviert und kann nicht weiter verwendet werden.
Wenn Sie sich erneut für die Kommentarfunktion registrieren möchten, melden Sie sich bitte beim Kundendienst von SRF.