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Alain Badiou: Raus aus der Komfortzone!
Aus Sternstunde Philosophie vom 18.12.2016.
abspielen. Laufzeit 58 Minuten 1 Sekunde.
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Mit Mut und Disziplin Alain Badiou: Der Philosoph, der die Jugend verderben will

Mehr Mut und Disziplin – für eine bessere Welt, aber auch in der Liebe. Das fordert der Philosoph Alain Badiou.

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Zentrum von Alain Badious Philosophie steht das Ereignis. Laut dem französischen Philosophen ereignet sich immer wieder Revolutionäres. Ein Beispiel: Die Studentenunruhen 1968 in Paris.
  • Er fordert von den Menschen mehr Mut und Disziplin – sei es in der Liebe oder im Kampf für eine bessere Welt.
  • Badiou glaubt, dass die Grenzen des Möglichen verschiebbar sind.

Das Taxi kommt. Aus der Türe steigt der vielleicht einflussreichste lebende Philosoph Frankreichs. Ein bekennender Kommunist, ehemals Maoist, in hellblauer Arbeiterhose, dunkelrotem Pullover, mit einer wunderschönen alten Ledertasche. Alain Badiou, ein 80-jähriger Mann, der – wie er in seinem neuen Buch schreibt – die Jugend verderben will.

Wo er auftritt, platzen die Säle. Überall im Publikum junge Menschen. Menschen, die den ausbeuterischen Kapitalismus satt haben. Menschen, denen der sinnfreie Spass in der Komfortzone nichts mehr bedeutet. Menschen, die mehr wollen.

Buchhinweise

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  • Alain Badiou: «Wider den globalen Kapitalismus. Für ein neues Denken in der Politik nach den Morden von Paris». Ullstein, 2016.
  • Alain Badiou: «Versuch, die Jugend zu verderben». Suhrkamp, 2016
  • Alain Badiou: «Lob der Liebe». Passagen, 2015.

Dem Ereignis treu sein

Badiou versteht sich als Philosoph in der Tradition von Sokrates und Sartre: kritisch, engagiert, radikal. Im Zentrum seines Werks thront der Begriff des Ereignisses: Nach Badiou geschehen in der Welt immer wieder revolutionäre Ereignisse, die alles auf den Kopf stellen und ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Nicht nur in der Politik, auch in der Wissenschaft, der Kunst und der Liebe.

Für Badiou selbst waren die Pariser Studentenunruhen vom Mai 1968 ein solches weltbewegendes Ereignis. Damals spürte er zum ersten Mal: Eine andere Gesellschaftsordnung ist möglich. Seither hält Badiou diesem Ereignis die Treue. Erst durch die Treue zu einem überraschenden Ereignis könne nämlich etwas Neues entstehen – eine «neue Wahrheit», wie Badiou schreibt.

Mehr Mut!

Die Treue sei auch für die Liebe zentral, ebenso wie die zufällige Begegnung am Anfang. Und beides fehle heute. Auf Partnervermittlungsseiten suchen Algorithmen für uns den passenden Partner. Das Risiko, der Zufall und die Begegnung mit dem Fremden würden dadurch minimiert. Und dann, wenn’s in der Liebe nicht mehr so gut läuft, wenn man an der Beziehung arbeiten müsste, dann trennt man sich.

Badiou kritisiert diese Haltung und fordert mehr Mut und Disziplin. Liebespaare müssten wieder lernen, an Problemen zu arbeiten, wie ein Mathematiker an einer schwierigen Aufgabe. Nur so könne die Liebe einen beflügeln und ungeahnte Fähigkeiten zum Vorschein bringen.

Es gibt Alternativen zum Kapitalismus

Und wie können wir uns nun für eine bessere Welt einsetzen? Was tun angesichts der Ungerechtigkeiten in der Welt? Der bekennende Kommunist hält sich zurück mit konkreten Utopien und meint, wir müssten gemeinsam auf die Suche gehen, im kritischen und kreativen Dialog.

Was für ihn aber klar ist: Wenn ein Gesellschaftssystem wie das unsere zur Folge hat, dass 62 Superreiche gleich viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, dann ist es das falsche.

Der Satz «There is no alternative» ist Teil der Ideologie, die Badiou bekämpfen will. Seine Philosophie lebt vom Glauben, dass die Grenzen des Möglichen verschiebbar sind. Das zeigen revolutionäre Ereignisse in allen Lebensbereichen. Was uns heute fehle, sei der Mut, das Unmögliche möglich zu machen. Vielleicht braucht es dazu andere, die weniger zu verlieren haben. Oder mehr 80-jährige wie Alain Badiou.

Sendung: Sternstunde Philosophie, SRF 1, 18.12.2016, 11.00 Uhr.

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