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Schwarz-Weiss-Bild: Eine Gruppe Männer und Frauen sticht 1881 Eis, im Hintergrund ein verschneiter Bauernhof.
Legende: Dorfbewohner stechen Eis: 1881 ein übliches Bild im Vallée de Joux. zvg/Auguste Reymond
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Gesellschaft & Religion Als Schweizer Eis die Drinks der Pariser High Society kühlte

Ein kaltes Getränk mit Eiswürfeln, das war früher ein Luxus für wenige. Wollte man vor gut 100 Jahren kühle Sommerdrinks, musste man sich Natureis beschaffen. Im Waadtländer Jura war der Eis-Abbau über Jahrzehnte ein sehr einträgliches Geschäft. Aus dem Jura kam das schönste und beste Eis.

Ruhig liegt es da, das Vallée de Joux. Eingebettet zwischen dem Mont Tendre und dem Mont Risoux nahe der französischen Grenze auf 1000 Meter über Meer.

Zwei Seen prägen das Hochtal, der Lac de Joux und der Lac Brenet. Im Winter sind die Seen jeweils dick zugefroren. Sie lieferten früher den Rohstoff für eines der grössten Eisabbaugebiete Europas.

Rémy Rochat vor einer Tafel des Lac de Joux.
Legende: Ein Experte fürs Eis: Lokalhistoriker Rémy Rochat am Lac Brenet. SRF

Sauber und hart – der perfekte Eiswürfel

Im 19. Jahrhundert war natürlich abgebautes Eis ein gefragtes Gut. Brauereien brauchten das Eis, um die Gärung des Biers zu kontrollieren. Spitäler, um die immer empfindlicheren Medikamente kühl zu lagern. Schliesslich auch Privathaushalte, um in den so genannten Eiskästen die Lebensmittel besser aufzubewahren. Doch für Eiswürfel musste ein ganz besonderes Eis in Trinkwasserqualität her.

Der Lokalhistoriker Rémy Rochat, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen erzählt, das Wasser in den Seen des Vallée de Joux sei damals sehr sauber gewesen. Mikrobiologische Analysen hätten das bestätigt. Und das Eis sei sehr hart gewesen: Perfekt, um daraus Eiswürfel für Getränke herzustellen.

Per Bahn ins Glas

Die Eiswürfel aus dem Lac Brenet waren beliebt. Bis ins ferne Paris reichte ihr Ruf. Die «Société des Glacières» lieferte ihr Eis per Bahn, direkt in die Gläser der High Society.

Denn wer es sich leisten konnte, in der «Belle Époque» im ausgehenden 19. Jahrhundert, der liess es sich gut gehen. Dick eingepackt, isoliert mit Sägemehl und Stroh, erreichte die wertvolle Fracht aus dem Vallée de Joux das sommerliche Paris.

Anstrengend und gefährlich

Was den Sommer in Paris auflockerte, war Monate zuvor im Jura in harter Arbeit abgebaut worden. Ungeduldig hatten die Eisstecher im Winter darauf gewartet, bis das Eis dick genug war auf dem Lac Brenet.

«20 Zentimeter mussten es mindestens sein», erzählt Rémy Rochat: «Dann gingen jeweils etwa 20 Männer auf den See hinaus, ausgerüstet mit grossen, schweren Sägen».

Diese waren mannshoch und mit scharfen Zacken versehen. Zu zweit sägten die Männer die Eisblöcke aus – eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, umgeben vom kalten, dunklen Wasser.

Lange erfolgreich trotz Kühlmaschinen

Die Eisblöcke wurden am Ufer in grossen Lagerhallen aufgereiht. Diese waren an einem schattigen Nordwesthang gebaut worden und gut isoliert. Das Eis konnte so bis in den Sommer hinein aufbewahrt werden, ohne künstliche Kühlung.

Das harte Geschäft hielt sich erstaunlich lange, bis in die 1940er-Jahre. Kühlmaschinen waren zwar schon längst erfunden. Doch so gutes und hartes Eis wie aus dem Vallée de Joux, gut genug für die Pariser High Society, konnte lange Zeit keine Maschine herstellen.

Eisstechen

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Das Geschäft starb mit der Zeit aus – an gewissen Orten hielt es sich aber erstaunlich lange: So wurde z.B. in den 1950-er Jahren noch am Klöntalersee im Kanton Glarus Eis geerntet, welches für ein Bierdepot benutzt wurde. Heute wird etwa am Raquette Lake im Nordosten der USA noch Eis gestochen – in Gedenken an früher.

Wasser-Geschichten

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