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Weniger und virtueller: Sammeln im digitalen Zeitalter
Aus Kultur-Aktualität vom 14.08.2018. Bild: Imago/epd
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Altes Hobby, neue Formen Weniger und virtueller: Sammeln im digitalen Zeitalter

Briefmarken, Münzen, Möbel oder antike Bücher: Immer weniger Menschen sammeln solche Objekte. Schuld daran ist nicht nur das Internet.

Antiquar Peter Petrej betreibt seit 25 Jahren in Zürich sein Buch-Antiquariat und konnte die Veränderung genau beobachten: «Früher habe ich Sammler alle zwei Wochen im Antiquariat gesehen. Heute ist es schon viel, wenn sie zweimal im Jahr auftauchen.»

Wo die Sammler bleiben? Sie tummeln sich im Internet. Das World Wide Web hat in den letzten Jahren praktisch sämtliche Branchen und Märkte stark verändert – auch die Sammlermärkte.

Mehr Zeit für Kaffee, mehr Konkurrenz

Antiquar Peter Petrej kann damit umgehen. Denn er hat schon vor rund 20 Jahren angefangen, seine Bücher im Internet anzubieten. «Wenn die Käufer nicht ins Ladengeschäft kommen, dann muss man sich überlegen, wie man reagiert.»

Blick von oben in ein altes, überfülltes Antuquariat in Wien.
Legende: In Antiquariaten tauchen heute seltener Kunden auf. Das hat auch sein Gutes, sagt ein Buchhändler. Imago/viennaslide

Peter Petrej kann der Verlagerung ins Internet sogar viel Gutes abgewinnen: So finden ihn nicht nur Büchersammler aus Zürich, sondern aus der ganzen Welt.

Er nimmt gerne Bestellungen über das Internet entgegen, er verschickt seine Bücher gerne per Post. «Für die wenigen Ladenkunden, die es noch gibt, hat man dafür mehr Zeit, trinkt mit ihnen einen Kaffee, spricht über ihre Sammlungen.» Peter Petrej ist keiner, der sich beklagt.

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Der «Homo collector» - warum wir das Sammeln nicht lassen können
Aus Kulturplatz vom 13.04.2016.
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Aber freilich ist das Internet auch nicht nur ein Segen für den Antiquar: «Bücher, die man früher als seltene Objekte anbot, sind heute nicht mehr selten. Im Internet werden sie an vielen Orten verkauft, auch von Privaten.» In Zeiten des Internets kann jeder ein Händler sein – und das grössere Angebot drückt die Preise.

Schwarmintelligenz statt Experten

Mit dem Thema Sammeln beschäftigt sich auch Denise Wilde von der Humbolt-Universität Berlin. Sie hat dazu ein wissenschaftliches Buch publiziert. Dass sich das Phänomen des Sammelns mit dem Internet grundlegend verändert hat, bestätigt auch sie.

Buchhinweis

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Denise Wilde: «Dinge sammeln. Annäherungen an eine Kulturtechnik», transcript 2015.

«Das Internet bietet den Sammlern eine grosse Plattform für Kommunikation und den Erwerb von Objekten», sagt Denise Wilde. «Aber: Negativ ist, dass der direkte Austausch verloren geht – und auch die Perspektive von Experten.»

Jeder kann zwar dank des Internets Händler sein, nicht jeder davon ist ein Experte. In spezialisierten Internetforen finden sich aber viele Sammlerinnen und Sammler und tauschen sich aus. Viele Köpfe wissen oft mehr – und so kann das Schwarmwissen unter Umständen das Expertenwissen ersetzen.

Der Sammlertrieb bleibt

Neben der Digitalisierung gibt es einen weiteren, gesellschaftlichen Faktor, der die Sammeltätigkeit der Menschen mehr und mehr beeinflusst, erklärt Denise Wilde: Heutzutage wechseln die Menschen öfter ihren Wohnort.

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Sammeln – vom Urtrieb zur Leidenschaft
aus Treffpunkt vom 09.07.2015. Bild: zvg
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«Je mobiler und flexibler wir werden, desto mehr werden Sammlungen als Ballast empfunden. Mit einer minimalen Lebensausstattung kann ich nächste Woche nach New York ziehen, wenn ich will. Mit drei, vier Räumen voller Objekte ist das nicht möglich.»

Es wird heute weniger und auf andere Art und Weise gesammelt, sind sich die Wissenschaftlerin und der Antiquar einig. Doch auch darüber: Gesammelt wird immer. Denn er steckt tief in uns Menschen, der Sammeltrieb.

Und was sammelt die Schweiz? Radio SRF 1 hat nachgefragt:

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