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Antirassismus-Aktivistin «Es braucht Pausenräume für Menschen, die diskriminiert werden»

Gegen Ende von 2021 fand in der Berner Dampfzentrale eine Tanzperformance der Alleyne Sisters , zwei dunkelhäutigen Tänzerinnen aus London, statt. Zum Nachgespräch waren ausschliesslich «People of Colour» zugelassen – Weisse mussten draussen bleiben. «Safer Space» nennt sich dieses Phänomen, das seinen Ursprung in den USA hat und nun auch Kulturhäuser in der Schweiz erreicht.

Laut einem aktuellen Artikel aus dem Berner «Bund» lösen diese «Schutzräume für diskriminierte Gruppen» bei einigen Menschen Befremden aus. Kommunikationswissenschaftlerin und Antirassismus-Aktivistin Yuvviki Dioh entgegnet: Solche «Pausenräume» seien wichtig, um Abstand zu gewinnen von Diskriminierung.

Yuvviki Dioh

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Yuvviki Dioh ist Assistentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Sie engagiert sich als Aktivistin der «Black Lives Matter»-Bewegung und in anderen Gruppierungen gegen verschiedene Formen des Rassismus.

SRF: «Undemokratisch und ausschliessend» lautet die Kritik an der Dampfzentrale, die eine Diskussionsveranstaltung nur für «People of Colour» durchführte. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Yuvviki Dioh: Ich halte nicht viel von dieser Kritik. Diese Menschen verstehen die Motivation für die Gründung solcher Safer Spaces nicht. Ob dieses Unverständnis Absicht ist oder nicht, ist eine andere Frage.

Ich denke, dass hinter solcher Kritik ein vages Demokratieverständnis steht – und auch ein sehr vages Verständnis dafür, was ein Safer Space eigentlich ist.

Zwei dunkelhäutige Frauen blicken sich an.
Legende: Nach der Performance «Alleyne Dance» (Bild) veranstaltete die Berner Dampfzentrale eine Diskussionsveranstaltung nur für «People of Colour» – dies im Rahmen der rassismuskritischen Arbeit innerhalb des Kulturhauses. Dampfzentrale / Irene Lewis

Was ist denn die Idee eines Safer Space?

Safer Spaces sollen Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, einen Schutzraum bieten. Ausserhalb solcher Räume sind Diskriminierungsbetroffene oft mit den problematischen Effekten von Diskriminierung konfrontiert.

Einerseits mit physischer Gewalt, andererseits auch mit Micro-Aggressionen: Gespräche, Bemerkungen, Fragestellungen, die Rassismus-Betroffene konstant daran erinnern, dass sie in dieser Position sind. Dieser Zustand ist anstrengend und mental sehr ermüdend. Und er fördert das Gefühl, nicht Teil der Bevölkerung zu sein.

Safer Spaces ermöglichen ein Zusammenkommen, ohne dass man dauernd mit Diskriminierung konfrontiert wird.

Es braucht solche «Pausenräume» für Menschen, die diskriminiert werden – damit man mal wegkommen kann von diesem Zustand. Um mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, zusammenzukommen und zu diskutieren, ohne dass man dauernd mit Diskriminierung konfrontiert wird.

Aber jeder Gruppe steht es doch frei, sich in einem Verein von Gleichgesinnten zu organisieren. Warum braucht es diese Safer Spaces im öffentlichen Raum?

Safer Spaces sind keine «regelmässigen Räume», in denen sich dieselben Menschen andauernd treffen. Das ist der Unterschied zu einem Verein, der ein spezifisches Ziel zum Zweck hat. Safer Spaces können spontane, einmalige Treffen von Menschen mit dem «Common Ground» sein, dass sie von ähnlichen Diskriminierungserfahrungen betroffen sind.

Gerade das Beispiel der Dampfzentrale zeigt, dass ein Safer Space ein temporärer Raum ist. Da kamen Leute zusammen, die diese Performances gesehen haben und dann miteinander darüber reden wollten. In diesem Rahmen möchte man einen Raum schaffen, in dem People of Colour geschützt sind.

Das Gespräch führte Igor Basic.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 7.1.2022, 7:06 Uhr ; 

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