«Warum konvertiert eine Schweizer Frau zu einer Religion, die in westlichen Gesellschaften ein negatives Image hat, die mit Gewalt und Unterdrückung assoziiert wird?» Das ist die Grundfrage, mit der Selma Zoronjic an das Thema ihrer Maturarbeit heranging.
Ihre Mutter hatte sie auf das Thema gebracht, das die 18-jährige Maturandin zuerst gar nicht so gut fand: «Ich dachte: Wie soll ich das machen? Ich kenne doch niemanden.»
Doch dann habe sie auf YouTube Videos angeschaut, in denen Leute ihre Geschichte erzählten. Da habe sie regelrecht Feuer gefangen.
«Die Frauen fanden im Islam viel Positives»
Selma Zoronjic, selbst muslimisch, aber nicht streng religiös aufgewachsen, schrieb verschiedene Verbände und Freunde an. Sie suchte Konvertitinnen, die bereit waren, ihre Geschichte zu erzählen. Über das Schneeballprinzip seien immer mehr Frauen zusammengekommen.
Für ihre Maturaarbeit mit dem Titel «Der Glaube in meinem Herzen» hat sie neun Interviews ausgewertet. In Nacherzählungen zeichnet sie den Glaubensweg dieser neun Frauen nach. Die Antwort auf ihre Ausgangsfrage sei, dass die negativen Klischees in persönlichen Begegnungen widerlegt wurden.
«Die Frauen fanden viele positive Dinge, als sie sich näher mit dem Islam befassten.» Eine Frau beispielsweise hatte früher immer gesagt: «Ich bin offen für jeden Ehemann – er darf nur kein Muslim sein!» Inzwischen sei sie «gläubiger als ihr Mann».
Konversion als Prozess
Dabei ist Selma Zoronjic wichtig, dass jede Konversion eine eigene, individuelle Geschichte sei und sich die Gründe jeweils unterschieden. «Doch bei allen war es so, dass sie sich nicht von jetzt auf gleich entschieden. Es war ein Prozess.» Alle neun Frauen waren vorher im Christentum zuhause, manche verwurzelter als andere.
Interessant findet die Maturandin die Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Religionen. «Zum Beispiel setzten sich viele Frauen mit dem Tod auseinander und dem, was danach kommt. Oder es beschäftigte sie die Frage, wie sie ihre Nächsten lieben und ihnen Gutes tun können.»
Die Konvertitinnen hätten im Islam bessere Rahmenbedingungen gefunden, um ein gutes Leben zu führen. Oder manche Antworten auf ihre Fragen überzeugten sie dort mehr.
Behutsame Herangehensweise
Die Arbeit der jungen Maturandin ist bemerkenswert, da sie ein sehr persönliches und zugleich gesellschaftlich relevantes Thema umfassend und sensibel beleuchtet. Dafür wurde Selma Zoronjic von den Theologischen Fakultäten der Universitäten Freiburg (Schweiz) und Luzern ausgezeichnet: Mit dem Freiburger Maturapreis und dem Luzerner Religionspreis .
Die Theologische Fakultät Fribourg würdigt die Arbeit als wichtigen Beitrag zur Erforschung von Konversion in der Schweiz und attestiert ihr «behutsame ethnographische Manier». Die Luzerner Laudatio hebt hervor, dass die Arbeit entgegen aller Vorurteile die Vielfalt der Motive für eine Konversation herausarbeitete.
Selma Zoronjic selbst betont, wie viel sie durch die Gespräche gelernt habe. Über ihre eigene, aber auch über andere Religionen. Sie wünscht sich, «dass sich die negativen Gedanken nicht so stark festsetzen». Und dass das Öffentlichmachen solcher persönlicher Glaubensgeschichten zu mehr Verständnis führt.