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Gesellschaft & Religion «Aus der immer wiederkehrenden Geschichte können wir lernen»

«Kirche, Ketzer, Kurtisanen»: Luke Gassers Dokumentarfilm widmet sich dem Konstanzer Konzil. Ein «gesellschaftliches Superevent», wie der Filmemacher, Bildhauer, Musik und bekennende Geschichtsfreak es nennt. Der Tausendsassa über seinen Film und warum wir statt büffeln eher begreifen sollten.

Das Konstanzer Konzil war mehr als ein Kirchenkongress. Was fasziniert Sie an diesem Ereignis?

Luke Gasser: Das Konzil von Konstanz war nicht nur ein Gipfeltreffen der Kirche, sondern es war ein gesellschaftlicher Superevent. Die geistliche und weltliche Prominenz Europas verhandelten die Probleme der spätmittelalterlichen Kirche. Intellektuelle reisten aus Damaskus, Kiev und Irland an. Die Folge war ein Austausch, der etwa die Musik mit der Entstehung neuer Harmonien beeinflusste oder neue Dichtformen hervorbrachte. Unglaublich faszinierend, was da alles vor sich ging.

Zur Person

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Luke Gasser ist in Lungern, Kanton Obwalden, geboren und aufgewachsen. Er machte eine Lehre als Bildhauer. Seit 1991 arbeitet er als freischaffender Bildhauer, Maler und Musiker. Tätig als Filmemacher ist er seit 1999: Er führt Regie, tritt als Produzent auf und wirkt als Schauspielert mit. 2013 erschien sein Film «The Making of Jesus Christ».

War die Vorbereitung für den Film aufwendig?

Ich bin ein Geschichtsfreak und habe schon einige historische Filme gedreht. Mittelalter- und Kirchengeschichte kenne ich gut. Deshalb musste ich bei der Recherche nicht bei Null beginnen. Ich konnte relativ schnell die Geschichte Faden schlagen und hatte danach genügend Zeit zu recherchieren, ob sie so auch tatsächlich funktioniert.

Die Kurtisanen spielen in Ihrem Film eine wichtige Rolle. Wieso?

Der Chronist Ulrich von Richenthal beschreibt den Alltag während dem Konzil. Bis zu 70'000 Besucher sollen in die Stadt gekommen sein. Dies beeinflusste natürlich das Leben der Konstanzer Bürger. Auch reisten hunderte Prostitutierte an, was in dieser Zeit aber nicht für Aufsehen sorgte. Damals herrschten andere Vorstellungen von Monogamie und Sexualität. Nicht nur ich fand es spannend, sich diesem Thema in einer Milieustudie zu nähern. Auch 3sat wollte das Thema im Film beleuchtet haben.

Sie drehten nur ganz wenig in Konstanz. Sie filmten im Zuger Burgareal, im luzernischen Rickenbach und im Basler Münster. Wieso?

Konstanz ist neu renoviert und zeigt nicht mehr jenes Konstanz vor 600 Jahren. In nur wenigen Strassen hätte ich drehen können, ohne danach zu retouchieren – das ist eine Frage des Budgets. Auch der Konstanzer Dom hat sich verändert: Von den ursprünglich zwei Türmen steht nur noch einer. Die Innendekoration entspricht nicht mehr der damaligen Zeit. Deshalb habe ich mich für andere Drehorte entschieden. Orte, die das Bild jener Epoche besser wiedergaben und von meinem Gefühl her das richtige Ambiente boten.

Neben ihnen als Bänkelsänger spielen Hanspeter Müller-Drossaart und Gilles Tschudi im im Film mit. Wer sind die anderen Darsteller?

Wir hatten eine Laienschauspielerin, Anja Kiser, in der Hauptrolle. Ich musste sie für diese Rolle haben. Anja ist ein Naturtalent. Ich sah sie auf der Bühne und hatte sie auch schon auf dem Set. Für ihre Rolle wollte ich eine sehr junge noch unverbrauchte Frau. Da passte Anja perfekt. Alle anderen Kurtisanen sind Abschlussschülerinnen der Schauspielschule EFAS in Zürich.

Sie haben gesagt, Sie seien ein Geschichtsfreak. Was bedeutet Geschichte für Sie?

Die Geschichte lässt uns die Welt besser verstehen. Doch das ist leider heute immer weniger der Fall. Statt Geschichte, Philosophie und Geographie müssen Schüler zunehmend Mathematik und Fremdsprachen büffeln. Menschen sollen heute primär funktionieren und nicht begreifen. Das ist schade. Mich prägte meine humanistische Erziehung. Aus der immer wiederkehrenden Geschichte können wir lernen. Aber dafür muss sie erst gelehrt werden.

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