Blumen, Büsche und dazwischen Spazierwege, um den Stress des Alltags hinter sich zu lassen: Die Idealvorstellung vom Garten als Ort der Erholung trügt. Denn ganz so idyllisch sei unser Verhältnis zum Garten nicht, sagt Viviane Stappmanns, die am Vitra Design Museum die Ausstellung «Garden Futures. Designing with Nature» ko-kuratiert hat.
«Wir haben zwar die Sehnsucht nach der Natur, die sich im Garten widerspiegelt», sagt Stappmans. Angesichts der Klimakrise überwiege aber die Ungewissheit, wie es für uns weitergehe und wie wir die Natur schützen sollen.
Der Garten ist der Ort, an dem die Beziehung der Menschheit zur Natur verhandelt wird.
Marten Kuijpers, leitender Forscher des Nieuw Instituut Rotterdam und an der Ausstellung beteiligt, sieht den Garten als Brennglas, durch das gesellschaftliche Probleme wie Klimawandel und Rückgang der Artenvielfalt betrachtet werden können.
«Der Garten ist der Ort, an dem die Beziehung der Menschheit zur Natur verhandelt wird.» In der Vergangenheit hätten die Menschen Gärten so konzipiert, dass sie die Natur beherrschten. Das müsse sich ändern.
Ein Garten hat viele Gesichter
Laut Definition ist ein Garten ein umzäuntes Stück Land, oft in der Nähe eines Hauses. Die westliche Entwicklung von Gärten spiegelte meist Idealbilder der Natur wider: die geometrischen französischen Gärten des Barocks ebenso wie der englische Landschaftsgarten, der die Natur imitiert.
Garden Futures: Designing with Nature
«Oft waren Gärten Orte der Selbstversorgung oder privilegierten Personen vorbehalten», sagt Kuratorin Stappmanns. Dass Menschen eigene Gärten haben, komme in der westlichen Welt erst mit dem Bürgertum und später den Schrebergärten auf.
Blick ins Grüne – und in die Geschichte
Das Vitra Design Museum zeigt eine der sogenannten «Ward'schen Kisten» aus Glas und Holz. Sie war wegweisend für die Entwicklung der Botanischen Gärten in Europa. Mit ihr konnte man ab 1835 Pflanzen aus den Kolonien transportieren. Eine Liege von 1930 erzählt davon, wie sich der Garten zu einem Freizeitort gewandelt hat.
«Heute können Gärten auch ganz andere Dinge sein», sagt Viviane Stappmanns. «Zum Beispiel Grundstücke in der Stadt, die nicht mehr genutzt werden, in denen Urban Gardening betrieben wird.»
Exemplarisch sei der Garten Kebun Kebun Bangsar in Malaysias zugebauter Hauptstadt Kuala Lumpur. «Eine Gruppe von Aktivistinnen hat sich 2013 dafür eingesetzt, dass eine Fläche unter einer Hochspannungsleitung als Garten bebaut werden kann.» Mit Erfolg: Der Garten kühlt die Umgebung ab und sorgt für ein Mikroklima.
Einzigartig ist auch der Garten der amerikanisch-antiguanischen Literaturwissenschaftlerin Jamaica Kincaid: «Sie setzt sich darin mit der Kolonialgeschichte der Pflanzen auseinander, indem sie sie anpflanzt, darüber recherchiert und schreibt.»
Klimafaktor Garten
Doch wie steht es um die Zukunft von Gärten? «Im Garten geht es immer um lokale Gegebenheiten», so Viviane Stappmanns. «Vielleicht können wir vom Gärtnern lernen, uns wirklich lokal mit den Dingen auseinanderzusetzen».
Die Designerin Marjan van Aubel zum Beispiel schlägt vor, kleine Dachgärten zur Selbstversorgung zu pflanzen, mit einer wassersparenden Technologie. Der «Pollinator Pathmaker» der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg wiederum ist ein Algorithmus, der Gärten aus der Perspektive von Insekten bepflanzt.
In diesen Zukunftsszenarien wird der Garten wieder zu einem utopischen Ort: für Menschen, für Pflanzen, für die ganze Biodiversität. Eigentlich paradiesisch.