Die knallbunte Wohnlandschaft des Designers Verner Panton aus den 60er-Jahren ist ein einziges grosses Sitz- und Liegemöbel in fliessenden Formen und satten Farben. Pop Art zum Rumfläzen.
Da ist die allererste Einbauküche der Welt, die sogenannte Frankfurter Küche der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky aus den 20er-Jahren. Alles ist gleich zur Hand. Alles ist sauber, alles ist ordentlich.
Klassiker und Überraschungen
Einige der absoluten Klassiker, die man in jedem Buch über Designgeschichte findet, sind zurzeit in der Ausstallung «Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs» im Vitra Design Museum zu sehen. Aber die Stärke dieser Ausstellung ist, dass sie wirkliche Überraschungen bietet.
Etwa die surrealen Wohnwelten des englischen Fotografen und Exzentrikers Cecil Beaton aus den 30er-Jahren. Auch amüsant: Möbel aus dem Filmsets der Komödie «Mon Oncle» von Jacques Tati. Eine Parodie darauf, was man in den 50er-Jahren für topmodern oder gar futuristisch gehalten hat.
Das Sofa sieht zwar schick aus, darauf sitzen kann man aber nicht. Denn man muss befürchten zwischen Sitzfläche und Rückenlehne eingeklemmt zu werden. Was sich Jaques Tati da ausgedacht hat, ist ein gelungener Scherz. Aber die meisten dieser Interieurs, die es hier zu sehen gibt, waren und sind sehr ernst gemeint. Sie wirken bis heute nach, sagt der Kurator der Ausstellung Jochen Eisenbrand.
Scherz oder ernst gemeint?
«Die Projekte, die wir hier zeigen, hatten auf lange Sicht einen Einfluss», sagt er. Das Wohnen sei grundsätzlich sehr konservativ, es ändere sich nur langsam, gerade in der breiten Masse.
«Denken wir an die offenen Grundrisse von Küche, Wohn- und Esszimmer, die in den 1920er-Jahren eingeführt wurden: Die hat man heute auch», sagt Eisenbrand. «Die Küche war noch vor hundert Jahren anders konzipiert, heute gibt's häufig modulare Einbauküchen. Auch dafür wurde damals der Grundstein gelegt.»
Aber was ist mit den hochgradig avantgardistischen Interieurs – wie etwa das knallbunte von Verner Panton? Kein Mensch wohnt heute so. «Stimmt», sagt Jochen Eisenbrand. «Aber manche dieser Visionen – auch wenn sie sich so nicht durchgesetzt haben –, waren auf eine übertragene Art wichtig.»
Locker und lax
Damals ging es auch darum, die Steifigkeit im Wohnen zu überwinden. «Die neuen Ansätze sollten andere Möglichkeit bieten, miteinander umzugehen und sich zueinander zu verhalten», sagt Eisenbrand. «Wie man Leute zu sich nach Hause einlädt und wie man Zeit verbringt, das ist alles sehr viel laxer geworden. Die neuen Visionen haben versucht, das anzutreiben. Selbst wenn sie nicht eins zu eins umgesetzt worden sind, haben sie ein Anstoss dazu gegeben.»
Unser Wohnen reflektieren
Gerade solche Zusammenhänge erschliessen sich in der Ausstellung jedoch nicht unbedingt von alleine. Dafür sind die einzelnen Interieurs oft zu wenig vertiefend erklärt. Wer als Besucherin oder Besucher wirklich etwas davon haben will, liest sich vorher gut ein. Oder besser: nimmt an einer Führung teil.
In der Fülle und Abwechslung bietet die Schau dennoch einen schönen Überblick über hundert Jahre Wohndesign. Sie erklärt, warum wir heute so wohnen wie wir eben wohnen.
Vielleicht liefert sie auch willkommene Inspiration. Vielleicht geht man danach Heim, sieht sich in den eigenen vier Wänden um und fragt sich: Will ich wirklich so wohnen?