Wie erholsam ist doch das Spazierengehen zwischen Bäumen. Das wurde jüngst in der Pandemie wieder vielen klar. Waldbaden heisst das in der japanischen Kultur. Von dieser Achtsamkeits-Technik erzählt in der Ausstellung im Landesmuseum Zürich bloss ein kleines Buch in einer Vitrine.
Der Wald ist dennoch lebhaft präsent. Gleich im ersten Raum ist der Zürcher Sihlwald in Echtgrösse an eine Wand projiziert. Da raschelt's, da zwitschert's, da prasselt's im Regen. Idylle pur? Keineswegs. Bereits holt ein Mann mit seinem Beil aus, um es auf einen Baumstamm niedersausen zu lassen. Es ist Ferdinand Hodlers «Holzfäller».
Der Mensch als Eindringling
Das ist Programm: «Wir wollten einerseits auf die Schönheit des Waldes hinweisen», sagt die Historikerin Pascale Meyer, welche die Ausstellung co-kuratiert hat. «Und andererseits wollten wir mit dem Hodler zeigen: Der Mensch greift ein.» Beim Holzfällen zerstört er den Wald.
Diese Doppelnatur legt bereits die Fährte für alles weitere. Die Ausstellung zeigt zwei Perspektiven auf den Wald: Die historische und gesellschaftspolitische – und die der Künste. «Wir wollten die Trennung von Natur und Kultur überwinden, um über das Verhalten der Menschen sprechen zu können», erklärt Pascale Meyer.
Regenwald in der Schweiz
Dementsprechend lädt die Ausstellung zu einem kulturhistorischen Spaziergang ein. Da belegen versteinerte Blätter, dass vor 13 Millionen Jahren in der Schweiz ein subtropisches Regenwaldklima herrschte und der Wald damals ein Tropenwald war. Werkzeuge aus vergangenen Jahrhunderten erzählen von der Holzwirtschaft. Eine Urkunde aus dem 13. Jahrhundert zeigt, dass der Wald einst weltlicher und geistlicher Obrigkeit gehörte.
In einem zweiten Teil fokussiert die Ausstellung auf den Wald in der Kunst. Allerdings erst ab der Romantik. Das erstaunt. «Erst in der Romantik wird der Wald zu einem Hauptmotiv», führt Kunsthistorikerin und Co-Kuratorin Regula Moser aus. «Er ist nicht mehr nur Staffage für biblische und mystische Themen.»
Der Wald als Gegenschauplatz
Augenfällig ist dabei die Verklärung des Waldes. Dies in krassem Gegensatz zur Industrialisierung, welche die Gesellschaft zeitgleich umwälzte. Das sei eine Reaktion, sagt Regula Moser: «Je bedrohter der Wald ist, desto überhöhter wird er gleichzeitig vom Menschen dargestellt.»
In einem letzten Teil öffnet sich der Blick zu den drängenden Fragen der Gegenwart: Den Folgen der Waldrodung, des Klimawandels. Der Basler Naturforscher Paul Sarasin wird als Gründer des Schweizer Nationalparks gewürdigt.
Der verschollene Basler Bruno Manser wird umfangreich als Regenwald-Aktivist eingeführt. Hier gibts auch Überraschendes: zum Beispiel den Pullover von Adolf Ogi, den Manser in einer seiner Aktionen für den Bundesrat 1993 gestrickt hat.
Am Schluss ist von der Idylle des Waldes wenig übrig. «Jede Minute werden weltweit drei Fussballfelder Wald abgeholzt», sagt Historikerin Pascale Meyer. Da gebe es keinen Anlass, mit einem positiven Bild abzuschliessen. Das, welches nun im Raum steht, ist fulminant: Ugo Rondinones Abguss eines uralten Olivenbaums. Weissgetüncht und kahl steht er da – wie ein Schreckgespenst.